Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zaster und Desaster

Zaster und Desaster

Titel: Zaster und Desaster
Autoren: René Zeyer
Vom Netzwerk:
aus seinem Stuhl auf, und mit vier Schritten war er neben Bürgisser. Richtig, so wie Kuster bei seinen Kundengesprächen eigentlich nur das Wording ablas, das Communication für ihn gebastelt hatte, stand auf Bürgissers Computerbildschirm genau das Blabla, das er eben gehört hatte.
    »Aber erlaube mal«, protestierte Bürgisser, doch Kuster hatte schon die folgenden Sätze überflogen. »Da nehme ich dann im Moment Variante eins«, sagte Kuster und las sie dann vom Bildschirm ab: »MA entscheidet sich für die Auflösung im gegenseitigen Einvernehmen, Kernaussage: Ich halte das für eine gute Entscheidung, lieber ›Name‹. Darf ich mir den Wisch auf deinem Schreibtisch noch durchlesen, bevor ich ihn unterzeichne? Sorry, das steht dann nicht in deinem Wording.«

Fünf
    Es ist ja wirklich nicht zu fassen, dachte Äbersold. Er atmete tief durch, welche Erleichterung, dachte er dabei. Seine Terminassistentin, die ihn und seine zwei Assistenten damit gequält hatte, dass sie sich einen Anis-Fenchel-Tee nach dem anderen braute, der dann sein Vorzimmer und auch sein Refugium als Private Banker voll stank, war gefeuert worden. Wir müssen eben alle Opfer bringen, grinste Äbersold, die Finanzkrise geht ja nicht mal an der Kreditunion spurlos vorüber, und unseren strategischen Genies von der Abteilung Zukunftsplanung fiel halt auch nichts anderes ein, als ein paar Hundert Stellen zusammenzustreichen, Synergien, Straffung Backoffice, überflüssiges Fett wegschneiden, das in den goldenen Zeiten gewachsen war, schlank für die Zukunft aufstellen, fit für neue Challenges, was für ein dummes Geschwätz, da sage ich ja meinen Kunden noch intelligentere Sachen, dachte Äbersold.
    War ja auch klar, dass reiche Säcke, die jahrelang zehn oder sogar fünfzehn Prozent Profit eingestrichen hatten, plötzlich zu zetern begannen, wenn sie ihrem neusten Depotauszug entnehmen mussten, dass sie auf einen Schlag dreißig oder vierzig Prozent weniger reich waren. Es langte zwar immer noch für die Yacht, die Ferienhäuser, die Nutten und den Weinkeller, aber das mit dem Privatjet, 24 Stunden stand by, das konnte dann schon mal eng werden. Dass die dann Äbersold die Ohren voll quengelten, daran hatte er sich gewöhnt, routiniert spulte er immer wieder das gleiche Tonband ab. Zunächst Verständnis heucheln, dann auf den unerforschlichen Ratschluss der internationalen Finanzmärkte verweisen, ein wenig auf habgierige amerikanische Banker schimpfen, einzelne bedauerlicher Exzesse auch in der Schweiz einräumen, bedenkliche Übertreibungen zugestehen.
    Dann legte sich Äbersold aber jeweils in die Kurve und machte darauf aufmerksam, dass volatile Börsen ja auch ungeheuerliche Chancen boten, nichts ist langweiliger als eine Seitwärtsbewegung, nicht wahr, jetzt ist der Moment für risikoaffine Anleger gekommen, die nach einer kurzfristigen Underperformance mit gezielten und abgesicherten Investitionen in Potentials wieder Boden gutmachen wollen. »Oder glauben Sie etwa, die Erde bleibt morgen stehen?«, rundete er seinen kleinen Diskurs jeweils ab, »vielleicht ist es Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, dass es nach den letzten Börsencrashs immer mehr Millionäre gab als vorher.« Auf diesen Satz war Äbersold besonders stolz, obwohl er keine Ahnung hatte, ob das stimmte. Hörte sich gut an, und das war ja die halbe Miete.
    Das ist ja alles verständlich, führte Äbersold seinen Gedankengang weiter, während er drei Telefontermine in seiner Agenda strich, das sollen doch meine zwei verbleibenden Assistenten übernehmen, dachte er, wer am Ende des Monats weniger Kunden verloren hat, darf bleiben. Das ist also alles im grünen Bereich.
    Aber dieses Gezeter und Geheule und Geschäume in der sogenannten Öffentlichkeit, erregte sich Äbersold. Da werden Lohndeckel, Abschaffung der Boni, mehr staatliche Kontrolle, gar Köpfe gefordert. Unglaublich, sogar irgendwelche wild gewordene Kleinanleger, die halt auch nicht den Kanal voll genug kriegen konnten, organisieren sich in so einer dämlichen Schutzgemeinschaft angeblicher Lowman-Opfer, und die toben dann so ausführlich und herzerweichend rum, dass ihnen die Kollegen von der Credit Suisse doch tatsächlich 150 Millionen zurückzahlen müssen, »ganz freiwillig«, wie die Deppen behaupten. Unvorstellbar, wo kämen wir denn da hin?
    Anlegen mit Bankgarantie? Gewinne darfst du behalten, Verluste werden dir selbstverständlich ersetzt? Der blanke Wahnsinn, dachte Äbersold, das kann einem noch die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher