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1193 - Das Templerkind

1193 - Das Templerkind

Titel: 1193 - Das Templerkind
Autoren: Jason Dark
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Die Zwölfjährige mit den langen blonden Haaren setzte sich. Die warme Decke glitt von ihren Schultern herab, und sie spürte die Kälte des Zimmers.
    Gern hätte sie das Licht eingeschaltet, aber genau das war nicht möglich. Zwei Stunden vor Mitternacht wurde es gesperrt. Die Regeln hier waren streng, sehr streng sogar.
    Sie hüstelte. Es war so kalt geworden. Clarissa umarmte sich selbst, um sich etwas Wärme zu geben. Sie schaute sich um.
    Es war wie immer in der Nacht. Nichts hatte sich verändert. Die Düsternis der Zellen, denn mehr war dieser Raum im Heim nicht. Das Fenster, dessen Ausschnitt nur schmal und trotzdem ein Ort der Sehnsucht für manchen war, denn vom Fenster aus schaute man hinaus über das Land und konnte sehen, was es bedeutete, Freiheit zu haben. Hineinzutauchen in die herrliche Welt und die übrige Natur, die jetzt, im Winter, natürlich anders aussah.
    Clarissa stand von ihrem Bett auf. Es gab eine Heizrippe in ihrem kleinen Zimmer. Das Metall war kalt, denn auch die Heizung wurde vor Mitternacht abgestellt. Sie schlüpfte in die Pantoffeln.
    So ging sie zum Fenster, stellte sich vor die Scheibe und wartete. Sie mussten doch kommen. Sie hatten es ihr versprochen, und sie hielten immer ihre Versprechungen. Schließlich waren sie keine Menschen, sondern Himmelsboten.
    Das Mädchen war nervös. Die langen Haare störten es. Deshalb strich sie sie an beiden Seiten weg.
    Clarissa hatte ein hübsches Gesicht, auf dem stets ein träumerischer Ausdruck lag. Ein Fremder konnte den Eindruck bekommen, dass dieses Mädchen mit seinen Gedanken nie in der Realität war, sondern immer weit weg. Hineingetragen in Regionen und Weiten, die nur für ihre Augen sichtbar waren und natürlich für einen Geist, der sich diesen Dingen öffnete.
    Es war eine dunkle und keine schöne Nacht. Der größte Teil des Himmels war mit langen Wolkenbänken besetzt. Sie sahen aus wie die gewaltigen Zungen irgendwelcher Riesen, die im Hintergrund lauerten und nicht zu sehen waren.
    In der Umgebung bewegte sich nicht viel. Von unten her erreichte Restlicht ihr Fenster. Es war wie ein kalter Schatten, der an der Hauswand hochkroch.
    Sie wartete weiter. Es war die ideale Nacht für die beiden Besucher. Sie würden, sie mussten einfach kommen. Die beiden hatten sie noch nie im Stich gelassen.
    Es war sehr still. Selbst das Summen der alten Heizanlage im Keller war verstummt. Normalerweise hörte man es bis zum alten Dachboden hoch, der für die Kinder verbotenes Terrain war. Den Grund kannte Clarissa nicht. Niemand im Heim sprach darüber, auch nicht die Chefin, die Madame Ferrant genannt wurde. Sie war eine Person, die ihre Augen überall hatte. Sehr streng, und zum Lächeln ging sie in den Keller. Aber was sollte Clarissa machen? In gewisser Weise war sie froh, im Heim zu leben. Sonst hätte sie keinen Platz auf dieser Welt gehabt.
    Und sie war etwas Besonderes. Clarissa hatte schon oft darüber nachgedacht, warum man gerade sie in ein Einzelzimmer gesteckt hatte, obwohl die anderen auf zwei kleine Schlafsäle verteilt worden waren. Ein paar Mal hatte sie danach gefragt, aber nur ausweichende Antworten bekommen.
    »Es ist nun mal so, und damit basta!« Clarissa wiederholte die Worte der Chefin und schüttelte den Kopf. Da konnte sie noch unzählige Male nachfragen, eine befriedigende Antwort würde sie nicht bekommen. Das stand für sie fest.
    Weihnachten war vorbei. Sie lächelte in der Erinnerung daran und bekam feuchte Augen. Es war ein schönes Fest gewesen, auch im Heim. Glänzende Augen, ein Tannenbaum, einige wenige Geschenke, und selbst die Chefin hatte gelächelt.
    Und jetzt? Die Lichter am Baum, der nahe am Eingang stand, brannten nicht mehr. Es gab kein Licht in der Dunkelheit, und auch der Himmel war nicht mehr so klar. Es gab keine Sterne. Sie waren wie von einem riesigen Maul verschluckt. Es war nichts mehr da. Es gab nur die Dunkelheit der Nacht und diese unheimliche Stille.
    Kamen sie oder kamen sie nicht?
    Clarissa wusste es nicht. Sie hoffte es, denn sie wollte die beiden endlich richtig sehen. Bisher war ihr nur der Anblick der Schatten vergönnt gewesen, nicht mehr als einfache Umrisse im Raum. Aber sie hatte ihre Stimmen vernommen. Hell und wispernd. Zugleich aber auch befremdend, sodass sie Angst vor ihnen bekommen hatte.
    Noch immer das Warten. Die Zeit, die so langsam dahinschlich und von ihr nicht festgehalten werden konnte. Sie hatte das Gefühl, weinen zu müssen, aber sie hielt die Tränen
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