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Die Feuer von Eden

Titel: Die Feuer von Eden
Autoren: Dan Simmons
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Kapitel 1
    E Pele e! Die Milchstraße dreht sich.
    E Pele e! Die Nacht wendet sich.
    E Pele e! Roter Schein liegt über der Insel.
    E Pele e! Morgendämmerung bricht an.
    E Pele e! Die Sonne wirft Schatten.
    E Pele e! Donnern erfüllt deinen Krater.
    E Pele e! Uhi-uba erfüllt deinen Krater.
    E Pele e! Erwache, erhebe dich, kehre zurück.
     
    Hulihia ke au, »Gezeitenwechsel«
     
     
    Zuerst schreit nur der Wind.
    Der Westwind ist viertausend Meilen über den weiten Ozean gereist, ist nur hin und wieder einer vom Kurs abgekommenen Möwe begegnet, bis er schließlich auf die schwarzen Lavaklippen und die ungeschlachten Brocken erstarrten Magmas trifft, die die fast verlassene Südwestküste der Großen Insel von Hawaii säumen. Aufgebracht über dieses Hindernis, schreit und heult der Wind zwischen den schwarzen Felsen, übertönt mit seinem Wüten fast das Tosen der Brandung und das Rauschen der Palmwedel in der künstlichen Oase inmitten hoch aufgetürmter schwarzer Lava.
    Es gibt zwei Arten von Lava auf diesen Inseln, und ihre hawaiischen Namen beschreiben den Unterschied treffend: Pahoehoe ist gewöhnlich älter, immer glatter und zu einer gewölbten oder leicht knotigen Oberfläche erstarrt; a’a ist frisch und schartig, die Kanten messerscharf, während ihre Formen an groteske Türme und umgestürzte Wasserspeier erinnern. Die pahoehoe zieht sich an diesem Abschnitt der South-Kona-Küste in mächtigen, grauen Strömen von den Vulkanen zum Meer, doch es sind die Klippen und die weiten Wüsten aus a’a, die die fünfundneunzig Meilen lange westliche Küstenlinie bewachen wie Schichten und Aberschichten von klingenbewehrten, zu schwarzem Stein erstarrten Kriegern.
    Und jetzt schreit der Wind in den Labyrinthen aus scharfkantigen Felsen, pfeift durch die Lücken zwischen den Säulen aus a’a und heult durch die Ritzen uralter Schächte und die offenen Schlünde hohler Lavatunnel. Mit dem auffrischenden Wind kommt die Nacht. Die Dämmerung ist über die a’a -Wüste bis zum Gipfel des Mauna Loa hinauf gekrochen, vier Kilometer über dem Meeresspiegel. Der größte Teil des mächtigen Schildvulkans erhebt sich als schwarzer Koloß, der nach Norden und Westen den Blick auf die Sonne versperrt. Dreißig Meilen entfernt, oberhalb des dunklen Kraters, schimmert die orangefarbene Aschewolke der unsichtbaren Eruptionen.
    »Also, was ist, Marty? Nimmst du jetzt die Schlagstrafe an, ja oder ja?«
    Die drei Gestalten waren in dem erlöschenden Licht kaum auszumachen, und ihre Stimmen verloren sich im heulenden Wind. Der von Robert Trend Jones jr. entworfene Golfplatz ist ein schmaler, gewundener Streifen teppichglatten Grüns, der sich etliche Meilen durch zerklüftete schwarze a’a zieht. Ein paar vereinzelte Palmen entlang der Fairways wiegen sich rauschend im Wind. Die drei Männer sind die einzigen Golfer auf dem Platz. Es ist mittlerweile stockdunkel, und die Lichter des Mauna-Pele-Hotels scheinen weit entfernt vom fünfzehnten Fairway, wo die drei Gestalten stehen und die Köpfe zusammenstecken, um sich über das Tosen des Windes und der Brandung verständigen zu können. Jeder der Männer ist mit seinem eigenen Wagen gekommen, und die drei Wagen scheinen sich ebenfalls schützend gegen den heulenden Wind zusammenzudrängen.
    »Ich sage dir, er liegt irgendwo in den Scheißfelsen«, sagt Tommy Petressio. Der orangefarbene vulkanische Lichtschein beleuchtet die nackten Arme und das sonnenverbrannte Gesicht des untersetzten Mannes. Petressio trägt ein gestricktes Golfensemble mit grellem Gelb-Rot-Karo. Er hat die Mütze tief ins markante Gesicht gezogen und kaut an einer dicken, kalten Zigarre.
    »Er ist nicht in den Scheißfelsen«, gibt Marty DeVries zurück. Er reibt sich die Backen, und ein halbes Dutzend Ringe kratzen über seine Bartstoppel.
    »Nun, er liegt jedenfalls nicht auf dem Scheißrasen«, greint Nick Agajanian. Nick trägt ein limonengrünes Polohemd, das sich über seinem mächtigen Bauch spannt, und die weiten Beine seiner karierten Shorts enden gute fünfzehn Zentimeter oberhalb seiner bleichen, knochigen Knie. Sein Aufzug wird von schwarzen Kniestrümpfen komplettiert. »Wir hätten ihn gesehen, wenn er auf dem Scheißrasen liegen würde«, fügt er hinzu. »Und es gibt hier kein Scheißrough, nur diesen Scheißrasen und die Scheißfelsen, die aussehen wie versteinerte Schafscheiße.«
    »Wo hättest du je Schafscheiße gesehen?« will Tommy wissen. Er dreht sich um und stützt sich auf seinen
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