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Die Knochen der Goetter

Die Knochen der Goetter

Titel: Die Knochen der Goetter
Autoren: Boris Pfeiffer
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Die Akademie
    Das sollte ein Eliteinternat sein?
    Rufus blieb fast die Spucke weg, als seine Mutter vor dem heruntergekommenen Gebäude parkte. Im nächsten Moment breitete sich ein fassungsloses Grinsen auf seinem Gesicht aus, das Hunderte von Sommersprossen auf seinen Wangen in Bewegung brachte.
    Diese ganze Aktion mit dem Stipendium für eine superwahnsinnig extracoole Schule, das er angeblich bekommen sollte, war sowieso schon völlig absurd. Aber das Haus, vor dem sie jetzt standen, setzte dem Ganzen eindeutig die Krone auf.
    Und zwar eine echt schäbige Krone!
    Rufus ließ den Blick über die große Freitreppe und die schwere, eisenbeschlagene Tür wandern. Darüber waren einige dunkle Flecken in der Fassade zu erkennen, die aussahen, als wären dort vor langer Zeit Buchstaben angebracht gewesen. Er kniff die Augen zusammen. Gebr entzifferte er, aber dann ging es nicht weiter, denn die nächsten Flecken waren zu verblichen. Erst dahinter waren sie wieder besser zu erkennen: Privatbankiers, gegr 1392.
    Rufus stöhnte leise auf. »Gebrgegr«, murmelte er vor sich hin, und es klang, als klapperten seine Zähne. Aber was ihm wirklich gegen den Strich ging, war das Wort »Privatbankiers«. Das hier war eindeutig eine Bank und eine uralte dazu. Was sollte man da schon lernen? Mathe natürlich! Vor seinem inneren Auge tauchten sofort lange schwarze Zahlenkolonnen auf, die wie eine Ameisenarmee auf ihn zu marschierten. Rums hätte sie zeichnen können, so deutlich sah er die kleinen Einsen, Sechsen und Nullen vor sich.
    Er blickte verstohlen zu seiner Mutter. Wie immer in den letzten Jahren trug sie einen ihrer dunkelblauen Hosenanzüge und sah mit ihrer teuren Frisur, die ihr kupferrotes Haar in einer schick glänzenden Welle über die Ohren bis zum Kinn spülte, extrem gediegen aus. Viel zu gediegen für Rufus’ Geschmack. Früher, als sie noch mit seinem Vater zusammen gewesen war, hatte sich ihr Haar in langen Locken ums Gesicht geringelt und sie hatte viel hübscher ausgesehen. Aber das konnte er ihr natürlich nicht sagen.
    Rufus fragte sich wirklich, was hinter all dem steckte.
    War das Ganze mit dem Stipendium vielleicht nur ein Trick seiner Mutter, um ihn endlich zu einem ordentlichen und guten Schüler zu machen? Rufus’ Mutter hatte zu seinem großen Bedauern eine wahre Besessenheit für Geld entwickelt, seit sie und sein Vater sich getrennt hatten. Ihrer Meinung nach war ein guter Schulabschluss die grundlegende Voraussetzung für eine vernünftige Karriere. Und dass sie jetzt ausgerechnet vor einer Bank standen, erhöhte die Wahrscheinlichkeit, dass sie die Sache hier eingefädelt hatte, um ein Vielfaches.
    Rufus hatte von Anfang an vermutet, dass seine Mutter ihn auf diese Weise jetzt auch noch in ein Internat abschieben wollte. Er hatte ihr kein Wort geglaubt, als sie behauptet hatte, dass nicht sie an das Internat, sondern das Internat an sie geschrieben hätte.
    Internat! Schon das Wort klang grässlich.
    Rufus sah dabei einen Schlafraum voller Sportangeber vor sich. Oder, noch schlimmer, ein Zimmer voller verwöhnter Reichlinge, die nur bei ihren Eltern anrufen mussten, um das Geld für die nächste Ladung feiner Edelklamotten rübergeschoben zu bekommen, und die tagtäglich ein paar frische minzgrüne Socken brauchten. Das war der schlimmste aller Albträume. Und leider stand Rufus’ Mutter auf minzgrüne Socken, seit sie gelesen hatte, dass sich der echte Adel so was über die Stinkefüße zog.
    Doch welche seiner Schreckensvisionen er hier auch immer antreffen würde, keine davon war so schlimm wie die Wahrheit. Wenn seine Mutter wirklich vorhatte, ihn gegen seinen Willen und ohne ihn zu fragen in ein Internat zu stecken, würde Rufus von zu Hause abhauen. Dann würde er seinen Vater suchen, wo immer der sich auch versteckte, und ihn um politisches Asyl bitten.
    Insgeheim hoffte er allerdings, dass seine Mutter doch nicht die Triebfeder bei dieser Sache war. Darum würde er erst einmal abwarten und der Geschichte auf den Grund gehen. Denn ganz egal, wie etepetete seine Mutter sich anzog, welchen durchgeknallten Guru-Friseur sie einmal in der Woche aufsuchte und ob sie wirklich völlig versessen auf üppige Gehaltsschecks war, seit sein Vater sie mit einer ganz schön viel jüngeren Frau verlassen hatte – Rufus liebte seine Mutter trotzdem.
    Das war ihm bei dieser ganzen Geschichte mit dem Eliteinternat auf einmal klar geworden.
     
    Noch bis vor einer Woche hatte sich Rufus täglich in sein
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