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Die Feuer von Eden

Titel: Die Feuer von Eden
Autoren: Dan Simmons
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ich begrüßten einander zum ersten Male von Mensch zu Mensch.
    Ich konnte drei Tage Verlängerung aus diesem Abenteuer herausschlagen, und das war eine große Hilfe. Die Sache nahm ihren Lauf, und irgendwann bat Mr. Langdon mich dann um Leumundszeugnisse, die ich nach bestem Vermögen beibrachte. Als Livys Vater jene Referenzen las, entstand eine lange Pause. Schließlich sagte er:
    »Was für Leute sind denn das? Haben Sie denn auf der Welt keinen einzigen Freund?«
    »Offenkundig nicht«, erwiderte ich.
    »Dann werde ich Ihr Freund sein. Ich kenne Sie besser als diese Menschen. Nehmen Sie das Mädchen zur Frau.«
    Der Verlobungsring war schlicht und aus purem Gold, graviert mit dem Datum 4. Februar 1869. Ein Jahr später nahm ich ihn ihr vom Finger und bereitete ihn auf seinen Dienst als Ehering vor, indem ich das Datum der Trauung eingravieren ließ — 2. Februar 1870. Danach verließ er nie wieder ihren Finger, nicht für einen kurzen Augenblick.
    Im vergangenen Sommer, in Italien, als der Tod ihrem geliebten Gesicht die verlorene Jugend zurückgegeben hatte und sie lieblich und mit einem glücklichen Lächeln dalag und just so aussah, wie sie als Mädchen und Braut ausgesehen hatte, da wollten sie ihr jenen Ring vom Finger nehmen, um ihn für die Kinder aufzubewahren. Doch ich habe dieses Sakrileg verhindert. Der Ring wurde mit ihr zusammen zur letzten Ruhe gebettet.
    Ich erzähle Ihnen das alles, Miss Stewart, weil mich meine geliebte Livy über die Jahrzehnte immer wieder fragte — wie dies wohl alle Bräute im Laufe der Zeit einmal tun —, ob es je eine Rivalin um ihre Hand und ihre Liebe gegeben hätte, bis ich ihr schließlich von uns erzählte: von dem Sandelholzduft, der den Wäldern oberhalb des Meeres entströmte, von dem Feuerschein, den ein Vulkan auflodern läßt, und davon, wie angenehm es ist, ihn zu überleben, von unserem Traum, in das Reich des Todes hinabzusteigen, um die uhane unseres geistlichen Freundes zurückzuholen.
    Es tröstet mich etwas, ohne Glauben zu wissen, daß Livys Geist irgendwo auf mich wartet.
    Ebenso, Miss Stewart, wie es mich getröstet hat zu wissen, daß meine noch knabenhaft-ungestüme Enttäuschung ob Ihrer Ablehnung meines unbeholfenen Antrags an jenem Junitag vor so vielen Jahren fehlgeleitet war. Es hat mir über die Jahre viel Trost und Vergnügen bereitet, Ihre wunderbaren Reisebeschreibungen zu lesen — ich glaube, Auf Entdeckungsreise durch Japan: Eine Lady aus Ohio am japanischen Hof, Eine Lady aus Ohio und ihre Abenteuer in den Rocky Mountains und Mit Burnus und Kamel durch die weite Sahara waren mir die liebsten, obwohl ich gestehen muß, daß ich all diese Jahre vergeblich auf Ihr Buch über die Sandwich-Inseln gewartet habe.
    Ich habe selbst eins angefangen, müssen Sie wissen. Meine ersten Vorträge handelten von den Sandwich-Inseln, doch als ich erst einmal auf eine so reiche Ader gestoßen war, hatte ich nicht die Absicht, sie zu Tode zu schürfen. 1884 begann ich meinen R oman über die Inseln — über die alten Könige und die alte Tradition und Lepra und Götzenverehrung und seichte christliche Missionare und sonderbare heidnische Rituale, aber nach und nach wurde diese Geschichte gekapert und von einer anderen, übermütigeren geschluckt, die ich schließlich Ein Yankee aus Connecticut an König Arthurs Hof nannte. Doch die Geschichte über die Sandwich-Inseln wartet noch immer in irgendeinem versteckten Winkel, und wenn diese alten Knochen und dieser alte Verstand sich noch ein letztes Mal aus ihrem arthritischen Schlummer aufraffen können, dann werde ich sie ausgraben und von neuem damit beginnen, wie ich es einst mit einem lange beiseitegelegten Buch über einen Jungen namens Huckleberry getan habe. Vielleicht sollte ich die Geschichte meiner Tochter Jean diktieren, die nun bei mir lebt. Jean behauptet immer munter, ich könne sie mit nichts mehr schockieren.
    Miss Stewart, ich schweife ab. Was ich Ihnen eigentlich habe sagen wollen, über meinen wiederholten und ernstgemeinten, so auch verspäteten Dank für Ihre Anteilnahme und Ihre Freundschaft hinaus, die Sie mir in der Zeit meines tragischen Verlusts im vergangenen Jahr bewiesen haben, ist, wie teuer mir die Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit auf jenen weit entfernten Inseln auf dieser Seite des Meers der Erinnerung geworden sind.
    Wenngleich auch kein weitgereister Weltenbummler Ihres Kalibers, so habe ich seit unserer gemeinsamen Zeit doch auch meinen Teil von dieser traurigen
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