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Die Feuer von Eden

Titel: Die Feuer von Eden
Autoren: Dan Simmons
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Sonne brannte gleißend und sengend auf ihre Haut. Eleanor streifte ihre Sandalen ab und grub ihre Zehen in den warmen Sand.
    »Nell, hast du dich schon entschieden, was du in den nächsten paar Tagen tun willst?«
    »Ja«, sagte Eleanor. »Ich bin für eine Woche Urlaub hergekommen. Ich finde nicht, daß ich die schon hatte. Ich werde die neue Besitzerin fragen, ob ich meinen Aufenthalt so lange verlängern kann.«
    Cordie rieb sich die Lippe. »Ich habe das Gefühl, die neue Besitzerin stellt dir möglicherweise sogar kostenlos ein Zimmer zur Verfügung. Vielleicht schlägt sie sogar vor, daß wir nachher schwimmen gehen und uns heute nachmittag in der Shipwreck-Bar einen Drink genehmigen, um den ganzen Mist runterzuspülen.«
    Cordie streifte ihre Schuhe ab, und die beiden Frauen schlenderten Kaffee trinkend den sanft geschwungenen weißen Strand entlang. Eleanor schielte und versuchte sich an ihrer besten Bogie-Imitation. »Louie«, sagte sie und bekam das Lispeln fast richtig hin, »dies könnte der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein.«
    »Darauf kannst du deinen Arsch wetten«, erwiderte Cordie Stumpf und ließ einen Kieselstein über die sanften Wellen der friedlichen Lagune hüpfen.
     

Ein Brief, der sich zwischen den letzten Seiten von Tante Kidders Tagebuch fand:
     
    18. Juni 1904
    21 Fifth Avenue
    New York, New York
    Miss Lorena Stewart
    3279 W. Patton Blvd.
    Hubbard, Ohio
     
    Liebe Miss Stewart,
    erfüllt von Schuldgefühlen und einer gewissen Beklommenheit möchte ich nun endlich auf den freundlichen Brief antworten, den Sie mir vor einem Jahr geschrieben haben. Wie Sie wissen, war es gerade vor einem Jahr, am 5. Juni, daß ich an einem Sonntagabend in Florenz meine geliebte Livy verlor. Sie werden zweifellos verstehen, daß seither nicht ein Tag vergangen ist, an dem ich mir nicht gewünscht habe, ihr zu folgen.
    Doch wie wir beide vor so vielen Jahren auf den traumhaften Sandwich-Inseln erfahren durften, haben die Lebenden eine Verpflichtung gegenüber den Lebenden, und Ihre wundervollen und warmherzigen Zeilen aus dem vergangenen Jahr haben mich an jene vergessene Tatsache erinnert.
    In Ihrem Brief haben Sie mich gebeten, Ihnen eines Tages zu erzählen, wie Livy und ich uns kennenlernten und wie es zu unserer Heirat kam. Dieser Tag ist nun gekommen.
    Sie werden sich vielleicht erinnern, daß ich, nachdem wir voneinander Abschied genommen hatten, meine Zeitung überzeugt habe, mich auf eine »Weltumrundung« zu entsenden, von der ich meine frühen und noch ungeschliffenen Artikel in die Heimat schickte, auf daß sie der Erheiterung des ungewaschenen Pöbels dienen. Nun, während ich im Heiligen Land weilte, machte ich die Bekanntschaft eines jungen Mannes namens Charley Langdon. Charley zeigte mir eines Tages eine Elfenbeinminiatur seiner Schwester, und ich habe mich auf den ersten Blick in sie verliebt.
    Im darauffolgenden Dezember sah ich sie zum ersten Mal in Fleisch und Blut. Sie war schlank und wunderschön und mädchenhaft — sie war zugleich Mädchen und Frau. Zwei Jahre später fand unsere Hochzeit statt.
    Das mag alles höchst selbstverständlich klingen, doch wahre Liebe findet ihre Erfüllung nur selten ohne Hindernisse. Ich hatte es geschickt so eingefädelt, daß ich eine Woche bei den Langdons verbrachte, doch es gelang mir so gut wie nie, während jener deprimierenden Woche allein mit Livy zu sein. Erst in der Droschke, die mich zum Bahnhof zurückfahren sollte, entschied sich das Schicksal, auf seine bekanntermaßen oft plumpe Art zuzuschlagen. Wie es scheint, war der Rücksitz nicht richtig festgemacht, und als der Kutscher seinem Pferd die Peitsche gab, purzelten Charley und ich rücklings über das Heck der Droschke. Charley war der einzige, der sich dabei echte Verletzungen zuzog, aber ich täuschte eine Gehirnerschütterung vor und versank in Ohnmacht, bis man mich ins Haus zurücktrug und genügend Brandy in meine Kehle schüttete, daß ein irisches Pferd daran erstickt wäre, doch all das vermochte nicht, mich aus der Bewußtlosigkeit zu erwecken — dafür trug ich schon selbst Sorge.
    Um eine lange, traute Geschichte kurz und bescheiden zu halten, es gelang mir, in diesem bewußtlosen Zustande zu verharren, bis Charley und seine andere Schwester ihre mildtätigen Bemühungen einstellten und das Streicheln und Massieren meiner Stirn an Livy übertrugen. Dies ließ ich so lange über mich ergehen, wie ich konnte, dann hoben sich flatternd meine Lider, und Livy und
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