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Die Séance

Die Séance

Titel: Die Séance
Autoren: Heather Graham
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PROLOG
    C hristie öffnete die Augen.
    Alles schien so zu sein, wie es sein sollte. Die kleine Porzellanuhr auf dem Kaminsims – das Lieblingsstück ihrer Granma, aus Irland herübergebracht – war an ihrem Platz, die Sekunden tickten sanft dahin. Im Badezimmer brannte ein Licht, weil sie vollständige Dunkelheit nicht mochte.
    Die Klimaanlage summte.
    Die Uhr schlug leise.
    Es war Mitternacht.
    Dann begriff sie, was nicht stimmte. Ihr Großvater war im Zimmer. Er beobachtete sie von dem alten weißen Schaukelstuhl, der vor ihrem Bett stand. Er rauchte seine alte Pfeife, schaukelte sanft, und er lächelte, als sie die Augen öffnete.
    “Granpa?”, murmelte sie.
    “Ah, Kleine, ich habe dich geweckt”, sagte er. “Das wollte ich nicht.”
    “Ist schon okay, Granpa”, sagte sie, neugierig. “Stimmt etwas nicht?”
    “Nein, meine Kleine, alles in Ordnung”, sagte er und beugte sich zu ihr vor. “Ich möchte bloß, dass du immer gut zu deiner Granma bist, das ist alles, Christie. Sei immer für sie da.”
    Beinahe hätte sie protestierend laut herausgelacht. Sie war erst zwölf Jahre alt, und sie lebte nicht einmal in der Nähe ihrer Großmutter, deshalb konnte sie kaum viel für sie tun. “Ich bin doch noch klein, Granpa”, erinnerte sie ihn. “Ich kann nicht mal alleine einkaufen gehen.”
    Sie wurde mit seinem tiefen und gewinnenden Lächeln belohnt. “Du bist noch jung, Mädchen, du bist noch jung. Aber Kinder können sehr viel Liebe schenken.”
    Sie verzog das Gesicht, plötzlich überrascht, dass er so gut aussah und dass er so ruhig wirkte, wie er so schaukelnd dasaß, der angenehme Duft seiner Pfeife so stark. Granma hatte ihm kürzlich wegen dieser Pfeife zugesetzt. Und er hatte versucht, mit dem Rauchen aufzuhören, um ihr eine Freude zu machen, was leicht genug gewesen war, da er in letzter Zeit so oft krank im Bett gelegen hatte. Deshalb war sie überhaupt hier, obwohl sie eigentlich zu Hause sein und zur Schule gehen sollte. Sie waren hergekommen, um Granma zu helfen. Natürlich, Granma war nicht allein. Christies Onkel, der Bruder ihrer Mutter, lebte mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen in der Nähe, aber Christie vermutete, dass ihre Großmutter jetzt ihre Mutter brauchte. Bestimmt glaubte ihre Mutter, dass Töchter stärker mit den Eltern verbunden waren – oder vielleicht waren Töchter einfach nützlicher.
    “Sie müsste es wissen, ja, müsste sie, aber du wirst dafür sorgen, dass sie weiß, dass ich sie liebe, nicht wahr?”, sagte Granpa.
    “Ach, Granpa. Das weiß sie doch längst.”
    “Und deine Mutter auch. Aber die hat deinen Daddy, und der ist ein guter Mann.”
    “Mom liebt dich auch, Granpa”, sagte Christie entschlossen, sie fühlte, es war wichtig, dass er das wirklich begriff.
    “Ja. Und du liebst mich auch, nicht, Püppchen?”
    “Ganz bestimmt!”
    “Deine Granma wird mich am meisten vermissen.”
    “Was redest du denn da, Granpa? Du gehst doch nicht weg!”
    “Sei für sie da”, sagte er, dann erhob er sich und legte seine Pfeife auf den Kamin. Er kam ans Bett, setzte sich neben sie, nahm sie in die Arme, drückte sie gegen seine Brust und hielt sie fest, wie er das oft machte, wenn er ihr eine Geschichte vorlas – oder sich eine für sie ausdachte. Sie wusste fast nie, was Wahrheit und was Erfindung war, denn Granpa besaß, hatte Granma mal zu ihr gesagt, das Talent, hemmungslos zu flunkern. Aber sie liebte ihn, und sie liebte seine Geschichten, und alle ihre Freundinnen liebten ihn auch, weil er die Fabeln so toll erzählen konnte, die er aus der alten Heimat mitgebracht hatte.
    Er strich ihr sanft das Haar zurück. “Die Iren sind was Besonderes”, sagte er zu ihr. “Die haben die Gabe des zweiten Gesichts.”
    Sie wusste noch, wie Granpa das einmal zu ihrem Vater gesagt hatte. Der hatte nur trocken bemerkt: “Klar, ganz was Besonderes. Gib ihnen ‘ne Flasche Whiskey, und sie sehen Dinge, die sonst keiner von uns sieht.”
    Granpa war nicht etwa wütend geworden; er hatte gemeinsam mit ihrem Vater darüber gelacht. Ihr Dad war nicht in Irland geboren worden, wie ihre Mutter, aber auch seine Eltern stammten von der grünen Insel. Und obwohl sie noch nicht ganz ein Teenager war, wusste sie doch ganz genau, was um sie herum vor sich ging.
    Eine Menge der irischen Freunde ihrer Eltern hatten die Angewohnheit, sehr viel Whiskey zu konsumieren.
    “Gib auf deine Gabe acht”, sagte Granpa sanft zu ihr.
    “Aber Granpa, ich bin doch noch zu jung zum
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