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1 Fatale Bilanz - Ein Hamburg-Krimi

1 Fatale Bilanz - Ein Hamburg-Krimi

Titel: 1 Fatale Bilanz - Ein Hamburg-Krimi
Autoren: Stefanie Ross
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Prolog
    Er würde sie schließlich nicht gleich umbringen.
    Shara Rawiz hob fröstelnd die Schultern, als sie an das unberechenbare Wesen des Mannes dachte, der zumindest auf dem Papier der Vater ihrer Tochter war. Wie hatte sie sich nur dermaßen in einem Menschen täuschen können? Sie lehnte den Kopf gegen die Wand und suchte nach einer bequemeren Sitzposition auf dem Plastikstuhl im Umkleideraum des Hamburger Universitätsklinikums.
    Woher kam nur dieser Anflug von Unsicherheit? Shara atmete tief durch. Schluss mit der Grübelei. Sie löste die Haarspange, fuhr sich mit den Fingern durch die schulterlangen, schwarzen Haare und tauschte den Arztkittel gegen die Jeansjacke.
    Auf dem Weg nach draußen bog sie schwungvoll um die Ecke des verwinkelten Korridors und landete in den Armen von Hendrik Fischer.
    »Meine Gebete wurden erhört. Du stürzt dich in meine Arme.«
    Shara lachte und löste sich aus dem lockeren Griff.
    »Von wegen. Ich möchte nur schnell nach Hause.«
    »Ich habe eine bessere Idee: Ein paar Kollegen und ich wollen das schöne Wetter nutzen und zu den Landungsbrücken. Erst ein bisschen Schiffe gucken und dann in den Beach-Club. Kommst du mit?«
    »Nein, die Nacht war für mich um vier Uhr zu Ende.«
    Als sie merkte, wie schroff ihre Ablehnung geklungen hatte, zwang sie sich zu einem Lächeln.
    »Hört sich aber gut an. Das nächste Mal bin ich dabei.«
    Hendrik war die Enttäuschung anzumerken.
    »Schon in Ordnung, irgendwann erwische ich den richtigen Zeitpunkt, und du kommst mit. Bis dahin muss ich eben einsam über die Korridore wandern und hoffen, dass das Schicksal uns erneut zusammenführt.«
    Seine pathetische Klage brachte sie zum Lachen.
    »Nächstes Mal«, wiederholte sie.
    »Ich erinnere dich dran.«
    Als die S4 an der Station Wandsbek stoppte, stand Shara schon an der Tür. Sie konnte es nicht erwarten, den stickigen Waggon endlich zu verlassen. Wenige Schritte hinter dem Bahnhof ließ sie die Hektik des Arbeitstages endgültig hinter sich. Der Weg zur Altbauvilla ihrer Freundin Emilie führte durch die Rantzaustraße, eine ruhige Wohngegend. Die weitläufigen Vorgärten auf der einen Seite und das Wandsbeker Gehölz auf der anderen ließen sie vergessen, dass sie sich in einer Großstadt befand. Sie mochte diese grünen Inseln und würde später den Park als Abkürzung zu ihrer eigenen Wohnung in der Schloßstraße nutzen. Gemächlich schlenderte sie die Straße entlang und genoss die Brise, die ihr durch die Haare strich und Urlaubsgefühle weckte. Einziger Störfaktor war die Robert-Schumann-Brücke, auf der der Feierabendverkehr noch in vollem Gang war und die sie unterqueren musste. Wenige Augenblicke später war der Verkehrslärm nur noch ein fernes Rauschen, und sie erreichte ihr Ziel.
    Auf dem Balkon ihrer Freundin drehten sich bunte Windspiele. Die grellen Farben schienen nicht zu einer Frau zu passen, die ihren sechzigsten Geburtstag bereits hinter sich hatte, aber sie waren typisch für Emilie, die darauf bestand, »Em« genannt zu werden. »Emilie« fand sie altmodisch.
    Shara war nicht überrascht, dass die Klingel keinen Ton von sich gab, wahrscheinlich schlief Rami. Bevor sie nach ihrem Schlüssel suchen konnte, öffnete sich die Tür, und Em stand vor ihr. Die weißblonden Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, der perfekt zur pinkfarbenen Leggins und dem weiten, grauen Sweatshirt passte.
    »Shara, endlich. Das wurde auch Zeit. Hast du Hunger? Soll ich Tee kochen? Setz dich doch erstmal. Rami schläft seit etwa einer Stunde.«
    Wenn Em in Fahrt war, war es unmöglich, zu Wort zu kommen. Shara schaffte es gerade noch, das angebotene Essen abzulehnen, ehe Em sie zu einem der Sessel im Wohnzimmer bugsierte und in die Küche eilte. Den Geräuschen nach zu urteilen, kochte sie einen ihrer berühmten Tees. Shara gähnte und hatte Mühe, die Augen offen zu halten.
    Besorgt runzelte Em die Stirn.
    »Du siehst völlig fertig aus und diese Kräutermischung ist genau das, was du jetzt brauchst. Aber trotzdem hörst du mir gefälligst zu, wenn ich dir einen Vortrag darüber halte, dass du dir zu viel zumutest und zu wenig an dich denkst«, forderte sie und schob Shara eine Teetasse hin.
    »Brauchst du nicht, aber …«
    Mit einer energischen Handbewegung wurde sie unterbrochen.
    »Kein ›aber‹. Ich habe nichts dagegen, dass du arbeitest, aber die ständigen Nachtschichten und Bereitschaftsdienste sind keine Dauerlösung. So kann es nicht weitergehen, sonst
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