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Das Amulett

Das Amulett

Titel: Das Amulett
Autoren: Stephan R. Bellem
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Prolog
    Als sie kamen, um ihn zu wecken, saß er bereits aufrecht in seinem Bett und erwartete sie. Er hatte ohnehin nicht viel geschlafen ... zu viele Gedanken über die Vergangenheit – und seine Zukunft – hatten ihn wachgehalten.
    Die Tür öffnete sich, und vier der Schildwachen seines Vaters traten in den Raum und nickten ihm auffordernd zu. Khalldeg wusste, dass sie kein Wort zu ihm sprechen durften. Nichts durfte die Feierlichkeit des heutigen Tages stören.
    Er griff nach der Eisenkonstruktion, die er in den letzten Tagen in den tiefen Kammern dieser Feste geschmiedet hatte. Die Aufgabe war nicht besonders schwierig gewesen, dennoch hatte er sich alle Mühe gegeben und die Teile in der für Zwerge bekannten Sorgfalt bearbeitet. Es handelte sich um keine Axt, kein Schwert und keinen anderen Kunstgegenstand, für den Zwerge in der ganzen Welt bekannt waren und die allseits begehrt wurden. Es war bloß ein Fackelhalter, ein dreieckiges Gestänge, das an der Wand angebracht wurde, mit zwei Eisenringen, in die eine Fackel gesteckt werden konnte. Khalldeg betrachtete seine Arbeit im schwachen Lichtschein, der durch die geöffnete Tür hereinfiel, und nickte zufrieden. Der Tradition wurde genüge getan.
    Der junge Zwergenprinz wurde lediglich mit seinem Nachthemd bekleidet in den Thronsaal geleitet. Während sie durch die Gänge marschierten, versuchte Khalldeg noch einmal, so viele Eindrücke wie möglich in sich aufzunehmen. Der Gang war zehn Fuß breit und ebenso hoch. Der polierte Granit unter seinen Füßen fühlte sich seltsam fremd und kalt an. Von jeher bauten die Zwerge ihre Stollen mit diesen Maßen. So konnten selbst die größten Zwergenkrieger ihre Waffen noch hoch über den Kopf strecken und ungehindert kämpfen, während größere Eindringlinge bereits behindert wurden. Alle zehn Schritte war ein Fackelhalter zu beiden Seiten auf halber Höhe der Wand befestigt, sodass die Gänge in warmes Licht getaucht wurden. Jeder Fackelhalter trug die Initialen des Schmieds, der ihn hergestellt hatte, ebenso das Jahr. Die ältesten und ehrfurchtsvollsten hingen direkt im Thronsaal. Eine solche Ehre wurde einem Schmied nur selten zu Teil und bedingte zumeist eine heldenhafte Tat – häufig gefolgt von einem ebensolchen Tod.
    Sie passierten die Waffenkammern und Schlafräume der Schildwachen. Wann immer ihnen ein Zwerg auf den Gängen begegnete, trat dieser beiseite und nickte Khalldeg anerkennend zu. Niemand sprach ein Wort. Selbst die tiefer gelegenen Schmieden der Festung waren verstummt.
    Schließlich gelangten sie an ihr Ziel: das Portal zum Thronsaal. Zwergische Runen, welche die Namen der Könige dieser Feste nennen sollten, waren darin eingraviert. Allerdings war noch reichlich Platz, denn Amosh verkörperte den ersten König dieser Feste, weshalb sein Name einsam an oberster Stelle der Türflügel prangte. Eines Tages , dachte Khalldeg, wird dieses Tor durch ein neues ersetzt werden – dann, wenn kein Platz mehr für weitere Könige ist und man sich an die Vergangenheit als glückliche Tage erinnert. Dies bleibt dieser Generation leider verwehrt.
    Einer der Zwerge trat vor und klopfte mit der Faust zweimal gegen das Tor. Sein Handschuh aus Zwergenstahl erzeugte ob der ungewohnten Stille in den Hallen der Zwerge ein lautes Grollen, das sich seinen Weg durch die gesamte Feste bahnte. Kurz darauf wurde der Klopflaut nicht nur aus dem Inneren des Thronsaals wiederholt, sondern in der gesamten Feste pochten alle Zwerge, selbst die Kinder, mit einem Hammer oder der bloßen Faust zur Antwort zweimal gegen Stein, Schild oder Tür. Einem tiefen Donner gleich, der Stimme ihres Gottes Grimmon, kündigten die Zwerge ihren geliebten Prinzen an.
    Als der Lärm verhallte und die gespenstische Ruhe wieder einkehrte, wurden die beiden Flügel der Tür langsam geöffnet. Nur Khalldeg trat hindurch, und hinter ihm schloss sich die Tür wieder.
    Im Thronsaal erwarteten den jungen Prinzen lediglich sein Vater und seine Brüder. Niemand anderem war es gestattet, dieser heiligen Zeremonie beizuwohnen – so wollte es die Tradition.
    »Tritt näher, mein Sohn«, sprach König Amosh leise. Seine Stimme war erfüllt von Stolz und Trauer zugleich.
    Khalldeg trat vor den eisernen Thron und senkte demütig das Haupt.
    »Es ist nun an dir, den Schwur zu erfüllen«, begann Amosh. »So wie einst Khulldrak, der mein Bruder war, und du, der du Bulthars Bruder bist, der meinen Thron erben wird, wie ich ihn von Gulmar III. erbte, war
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