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Die Feuer von Eden

Titel: Die Feuer von Eden
Autoren: Dan Simmons
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auf Tommy zu.
    Tommy zieht eine Augenbraue hoch. »Wofür brauchst du das denn?«
    »Ich weiß nicht«, erwidert Nick. »Vielleicht ist dahinten jemand.« Die Schreie aus dem Lavalabyrinth sind mittlerweile verstummt.
    »Ja, Marty ist da.«
    »Jemand anders, meine ich«, sagt Nick.
    Tommy schüttelt angewidert den Kopf. »Mann, das hier ist Hawaii, nicht Newark. Da hinten ist niemand, mit dem wir nicht fertig werden würden.« Er tritt zwischen die Felsen, folgt der kaum noch auszumachenden Spur, die Martys Golfschuhe im weißen Sand hinterlassen haben.
    Einen Moment später beginnen die Schreie von neuem. Diesmal sind es zwei Stimmen. Auf dem Fairway ist niemand, der sie hört, und die Gebäude der Hotelanlage sind nur Lichter in der Ferne, verdeckt von rauschenden Palmwedeln. Der Wind pfeift durch die poröse a’a. Die steigende Brandung explodiert an der unsichtbaren Küste.
    Kurz darauf verstummen die Schreie wieder, und durch die Nacht dröhnt nur noch das Tosen des Windes und der Brandung.
     
     

Kapitel 2
    Berühmt sind die Kinder von Hawaii,
treu ergeben ihrem Land,
wenn der kaltherzige Gesandte kommt
mit seinem gierigen Dokument der Epressung.
     
    Ellen Wright Pendergast,
»Mele ‘Ai Pohaku« (Steinfresser-Gesang)
     
     
    Im Central Park schneite es. Vom zweiundfünfzigsten Stockwerk seines Stahl-und-Glas-Wolkenkratzers aus beobachtete Byron Trumbo, wie weit unter ihm der Schnee die astschwarzen Skelette der Bäume an der Sheep Meadow teilweise verdeckte, und versuchte sich darauf zu besinnen, wann er das letzte Mal im Park spazierengegangen war. Das war schon Jahre her. Vermutlich, bevor er seine erste Milliarde gemacht hatte. Vielleicht sogar, bevor er seine erste Million gemacht hatte. Ja — er erinnerte sich jetzt —, es war vor vierzehn Jahren, als er vierundzwanzig und noch neu in der Stadt war, frisch und übermütig von seinem äußerst lukrativen Banken-Coup in Indianapolis und bereit, New York im Sturm zu erobern. Er erinnerte sich daran, wie er damals zu den Türmen hinaufgeblickt hatte, die über den Bäumen des Central Park aufragten, und sich gefragt hatte, in welchem der Gebäude er wohl seine Geschäftsräume haben würde. An jenem lang vergangenen Frühlingstag hatte er noch nicht ahnen können, daß er seinen eigenen vierundfünfzigstöckigen Wolkenkratzer bauen würde, dessen obere vier Etagen dann seinen Bürokomplex und seine Penthouse-Wohnung beherbergen würden.
    Architekturkritiker hatten Trumbos Wolkenkratzer als »phallische Monstrosität« bezeichnet, der Rest der Welt nannte ihn Big T. Jemand hatte versucht, ihm den Namen »Trumbo Tower« zu verpassen, doch die Ähnlichkeit mit dem Namen von Donald Trumps Gebäude hatte Byron Trumbo veranlaßt, diese Bezeichnung schnell und nachhaltig zu unterdrücken. Er haßte Donald Trump, und nichts war ihm mehr zuwider, als auch nur im selben Atemzug mit dem Mann genannt zu werden. Außerdem beschrieb »Big T« am besten das Aussehen dieses Hochhauses mit seinen überhängenden fünf oberen Stockwerken — jenem Überbau aus Glas und Stahl, der in Trumbos Phantasie die Brücke des weltgrößten Schiffes darstellte. Ganz nebenbei war »Big T« auch Byron Trumbos Spitzname, seit er dreizehn war. Jetzt trat er an der Ecke des »T«-Überhangs in die Pedale seines Trimmrads, genau dort, wo sich zwei vom Boden bis zur Decke reichende Glaswände in einem rechten Winkel trafen, so daß es aussah, als radelte Trumbo auf einem kleinen, mit Teppichboden ausgelegten Vorsprung zweiundfünfzig Stockwerke über der Fifth Avenue und dem Park. Wenige Zentimeter vor den Panoramascheiben schwebten Schneeflocken, getragen von Aufwinden, an der Fassade nach oben. Es schneite nun so stark, daß Trumbo kaum noch die dunklen Zinnen des Dakota an der Westseite des Parks ausmachen konnte.
    Im Moment schaute er allerdings auch gar nicht hin. Er hatte das Kopfhörertelefon aufgesetzt und preßte zwischen keuchenden Atemzügen seine Sätze in das kleine Mikrofon, während er weiter gnadenlos in die Pedale trat. Das Baumwoll-T-Shirt klebte ihm schweißnaß am massigen Brustkorb und den Schulterblättern.
    »Was soll das heißen, es sind schon wieder drei Gäste verschwunden?« schnauzte er.
    »Das soll heißen, es sind schon wieder drei Gäste verschwunden«, erwiderte die Stimme von Stephen Ridell Carter, Manager von Trumbos Mauna-Pele-Ferienhotel auf Hawaii. Carter klang müde. In New York war es 8 Uhr 30, was bedeutete, daß es auf Big Island 3 Uhr 30 in der
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