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05 - Spiel der Intrigen

05 - Spiel der Intrigen

Titel: 05 - Spiel der Intrigen
Autoren: Marion Chesney
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Erstes Kapitel

    Die Dunkelheit senkte sich noch
immer früh auf die gepflegten Straßen und Plätze des Londoner West End herab,
der Nebel hing in rauchigen Schwaden um die schmierig-trüben Glaskugeln der
städtischen Laternen, und obwohl an den Bäumen im Hyde Park sich noch kein
einziges Blatt zeigte, war doch bereits eine unterschwellige Erregung zu spüren
— ein Rascheln, nicht von Blättern, sondern von Taft- und Seidenkleidern, die
anprobiert und abgesteckt wurden. überall sprossen und leuchteten köstlich
duftende Seidenblüten. Dieser künstliche Frühling, der der Londoner Saison
vorausging, ließ das Blut in den Adern schneller pulsieren.
    Die verrußten Fensterbretter wurden
wieder blank gescheuert, die Fensterläden aufgestoßen, um die Zimmer zu
lüften, und zahlreiche Mitglieder der feinen Gesellschaft bereiteten sich mit
grimmiger Entschlossenheit auf das qualvolle Ritual ihres halbjährlichen Bades
vor.
    Alle die Spielsachen der Saison
wurden aus ihren Kisten und Kästen hervorgeholt — die Farben und Puder und
Pomaden, die Juwelen und Fächer und die emaillierten Schnupftabaksdosen. Kein
Mensch, der bei klarem Verstand war, hätte auch nur im Traum daran gedacht,
diese wunderbaren Schätze an die Landluft zu verschwenden! Riesige,
schwerbeladene Reisekutschen kamen Tag für Tag in die Hauptstadt gerollt. Die
Insassen, Angehörige der Oberschicht, die das Land und den Zwang, dort den
äußeren Schein zu wahren, um ihren Pächtern als Vorbild zu dienen, gründlich
satt hatten, lockerten jetzt — bildlich gesprochen — ihr Korsett und freuten
sich auf das ausschweifende Leben: Bälle, Abendgesellschaften und Einladungen.
    Die Debütantinnen wussten, dass sie
auf dem Heiratsmarkt feilgeboten wurden, aber ganz wenige fanden das sonderbar
oder gar grausam. Es war nun einmal der Lauf der Welt. Sie konnten nur beten, dass
er sich nicht als zu alt oder zu hässlich erwies. Letzten Endes würde man sich
jedoch mit jedem Mann abfinden, denn nach einer teuren Saison ohne Mann aufs
Land zurückzukehren, wäre Gott gegenüber, dem es gefallen hatte, diese jungen
Damen in ihren Stand zu erheben, sehr undankbar.
    Schließlich hätte es einem
genausogut passieren können, dass man unter der Erdoberfläche leben und sein
Brot im Schweiße seines Angesichts in irgendeinem Kellergeschoß als Diener
verdienen musste, wie immerhin ein Drittel der Bevölkerung.
    Aber es gab solche und solche
Diener. Manche hatten Glück. Sie verbrachten den Winter in großen Palästen oder
Herrenhäusern auf dem Land und reisten dann mit ihren Herrschaften in ein gut
ausgerüstetes Stadthaus, um da die Saison zu verbringen. Sie waren gut genährt
und geschützt vor den Unwägbarkeiten des Lebens.
    Für die Diener eines gewissen
Stadthauses in der Clarges Street 67 war jedoch jede Saison eine Lotterie. Ihr
Herr, der Duke of Pelham, war sich gar nicht recht darüber im klaren, dass er
dieses Haus besaß, weil ihm am Grosvenor Square ein großes Herrenhaus zur
Verfügung stand. Das Haus in der Clarges Street wurde daher vor jeder Saison
zur Miete angeboten. Ein guter Mieter bedeutete Trinkgelder für die Diener
und, wenn sie Glück hatten, eine Erhöhung ihrer mageren Löhne, denn die Vermietung
des Hauses oblag dem Verwalter des Duke, Jonas Palmer, der den Dienern
Hungerlöhne zahlte, seinem Herrn aber höhere in Rechnung stellte und den Differenzbetrag
in der eigenen Tasche verschwinden ließ.
    Die Zeiten waren schwer,
Arbeitsplätze rar, und die kleine Dienerschaft von Nummer 67 konnte es sich
nicht erlauben, gegen den schikanösen und verhassten Palmer aufzubegehren. Der
Butler, Mr. John Rainbird, und der Lakai, Joseph, hatten ihre früheren
Stellungen wegen Unbesonnenheiten verloren, und Palmer drohte, auszuplaudern,
sollte einer von ihnen es wagen, sich eine andere Stellung zu suchen. Die
übrigen waren aus Treue zu ihrem Butler an das Haus gebunden, aber auch, weil
es so gut wie unmöglich war, ohne Referenzen eine andere Arbeit zu finden. Und
Palmer würde keinem von ihnen ein gutes Zeugnis ausstellen.
    Auf dem Haus lag angeblich ein
Fluch. Eine Folge dramatischer Ereignisse — Mord und Selbstmord — und eine
Reihe merkwürdiger Dinge, die darin passiert waren, hatten das Haus in Verruf
gebracht. Man lebte in einer abergläubischen Zeit. Deshalb konnten die Diener
nur jedes Jahr von neuem hoffen, dass jemand, der den Londoner Klatsch nicht
kannte und daher nichts von dem Fluch wusste, der Versuchung erlag, es zu mieten.
Es
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