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05 - Spiel der Intrigen

05 - Spiel der Intrigen

Titel: 05 - Spiel der Intrigen
Autoren: Marion Chesney
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antwortete Emily. »Wir haben nur unsere Namen beim Notar
geändert. Wir sind jetzt Mr. und Miss Goodenough, und du bist mein Onkel. Vergiss,
dass du der Butler Benjamin Spinks warst, vergiss, dass ich je das kleine
Stubenmädchen Emily Jenkins war. Wir gehören jetzt zur Oberschicht.«
    »Nach außen hin«, sagte Mr.
Goodenough düster. »Aber innerlich fühle ich mich immer noch als Diener.«
    »Aber in Wirklichkeit sind wir
reich«, sagte Emily. »Als der alte Sir Harry Jackson starb und dir all sein
Geld hinterließ, war es wie die Verwirklichung eines Traums. Du wolltest doch
immer ein Gentleman sein, und ich wollte immer eine gute Partie machen.«
    »Hast du daran gedacht, Emily, dass
wir aus der Gesellschaft ausgestoßen werden, wenn auch nur ein Angehöriger der
großen Welt den früheren Butler oder das frühere Stubenmädchen in uns erkennt?
Mir kommt dieser Butler Rainbird irgendwie bekannt vor.«
    Einen Augenblick lang wirkte Emily
sehr jung und verloren und verletzlich. In diesem Augenblick wünschte sie, sie
wären wieder Diener und lebten von ihren Träumen. Dann nahm sie sich zusammen.
»Unsinn«, sagte sie tapfer. »Ich werde mein Debüt in der Gesellschaft geben,
und du wirst den Prince of Wales kennenlernen. Davon hast du doch immer
gesprochen. Mut, Onkel! Wir werden es schon schaffen.«
    »Ich werde mich bemühen, tapfer zu
sein«, versprach Mr. Goodenough. »Warte hier, bis ich einen Diener geholt habe,
der unsere Koffer trägt. Die Klingelschnur ist gerissen.«
    Als ihr »Onkel« hinausgegangen war,
erhob sich Emily und musterte ihr Gesicht in dem grünlichen, alten Spiegel über
dem Kamin. Sie sah ganz entschieden wie eine Lady aus!
    Als sie eine Dienerin gewesen war,
hatte sie sich innerlich wie eine Lady gefühlt. Jetzt fühlte sie sich innerlich
wie ein Dienstmädchen. Seltsam!
    Emily war von einer alleinstehenden
Tante aufgezogen worden. Ihre Eltern waren gestorben, als sie noch ganz klein
war. Ihre Tante war eine harte, gefühllose Frau gewesen, aber rühmte sich, zu
wissen, was ihre Pflicht sei. Vor ihrem Tod hatte sie Emily eine Stellung als
Stubenmädchen in Blackstone Hall, dem Haus von Sir Harry Jackson, einem
kinderlosen Junggesellen von etwa sechzig Jahren, verschafft. Der Butler
Spinks, der jetzige Mr. Goodenough, hatte sie unter seine Fittiche genommen.
Wie Emily war er ein Träumer, und sie pflegten oft am Feierabend über die
Wiesen zu wandern und sich phantastische Zukunftspläne füreinander auszumalen.
Emilys Pläne waren immer dieselben. Eine reiche Dame würde sie ins Herz
schließen, sie als Debütantin in die Gesellschaft einführen, und ein reicher
Herr würde sich in sie verlieben und sie heiraten. Die Träume des Butlers waren
abenteuerlicher und phantasievoller. An manchen Abenden, wenn er mit Emily
spazierenging, malte er sich aus, dass er ein Seeräuberkapitän werden würde
oder ein Missionar oder ein Soldat. Aber der Traum, der in seinen Gedanken
immer wiederkehrte, war, dass er den Prince of Wales, der jetzt Prinzregent
war, kennenlernte.
    Und während sie miteinander
spazierengingen und träumten, ahnte keiner von ihnen, dass der alte Sir Harry
bald sterben und dem Butler sein gesamtes Vermögen hinterlassen würde.
    Jetzt, wo sie reich waren, jetzt, wo
sie an der Schwelle der seit langem erträumten Saison standen, fühlte sich
Emily als die Stärkere von beiden. Mr. Goodenough war im Grunde ein ängstlicher
Mann. Emily hatte oft den Verdacht, dass er sich nach den Tagen als Butler
zurücksehnte. Wenn sie verheiratet war und einen Titel hatte, konnte er immer
bei ihr bleiben, beschloss Emily. Die Jahre würden vergehen, und er würde sich
daran gewöhnen, ein Gentleman zu sein, und nicht mehr fürchten, bloßgestellt zu
werden.
    »Schade, dass wir die Miete im
voraus bezahlt haben«, sagte Mr. Goodenough, als er wieder hereinkam. »Ich
hatte nicht damit gerechnet, dass wir so schnell etwas finden.«
    »Das Haus wird schon seit drei
Monaten annonciert«, sagte Emily, »und zu einem so niedrigen Preis. Ich frage
mich, warum noch keiner zugegriffen hat.«
    »Was die Miete betrifft«, meinte Mr.
Goodenough bedächtig, »so habe ich den Eindruck, dass du die ganzen achtzig
Pfund hättest bezahlen sollen. Oh, ich weiß, der furchtbare Palmer verdiente
einen Rüffel, aber es geschah vor den Dienern, und wenn du dich recht
erinnerst, so haben wir Diener für knauserige Leute nichts als Verachtung
übriggehabt.«
    Emily lachte. »Ich glaube, ich
vergesse schneller als
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