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WISO - Aktien, Anleihen und Fonds

WISO - Aktien, Anleihen und Fonds

Titel: WISO - Aktien, Anleihen und Fonds
Autoren: Michael Jungblut
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|9| Ein wenig Risiko gehört dazu
    Die deutschen Sparer haben 2004 und 2005 eine einmalige Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen: Private Anleger hätten die Chance gehabt, am Aktienmarkt innerhalb kurzer Zeit Gewinne von über hundert Prozent einzustreichen. Allein die Dax-Unternehmen haben in dieser Zeit ihren Börsenwert verdoppelt. Bei den kleinen und mittleren Unternehmen war der Kursanstieg sogar noch stärker ausgeprägt, und auch die Dividenden sprudelten wie schon lange nicht mehr.
    Die Kurse stiegen ab 2004 wie seit vier Jahren nicht mehr, doch bei den Banken blieben Orders von deutschen Kunden weitgehend aus. Aktienfonds verzeichneten ebenfalls nur verhältnismäßig geringe Mittelzuflüsse. Erst Anfang 2006 wachten die deutschen Anleger auf. Allein in den ersten zwei Monaten floss deutschen Fondsanbietern mit 2,4 Milliarden Euro so viel Geld zu wie im gesamten Vorjahr. Doch da war der Zug bereits in voller Fahrt. Deshalb hatten vor allem Ausländer das Geschäft gemacht. Sie hatten rechtzeitig erkannt, dass eine Beteiligung am Kapital deutscher Aktiengesellschaften kräftige Gewinne versprach. Denn während im öffentlichen Bereich Reformen nur schleppend vorankamen, die staatliche Verschuldung weiter dramatisch stieg und die sozialen Systeme von Krise zu Krise taumelten, hielten es die Unternehmer mit dem Motto: Packen wir’s an.
    Der großen Mehrzahl der deutschen Sparer fiel nicht auf, dass es den Unternehmen viel besser ging als dem Land. Die Zurückhaltung hatte aber auch noch andere Gründe: Die Deutschen sind traditionell »Aktienmuffel«. In keinem vergleichbaren Land sind so wenig Bürger bereit, sich an der Finanzierung ihrer Wirtschaft zu beteiligen. Nirgendwo ist die Risikoscheu so ausgeprägt wie in der Bundesrepublik. In kaum einem anderen Land wird das Lebensgefühl so stark von Angst und Pessimismus bestimmt. Deshalb steckte deutschen Anlegern der Börsencrash zu Beginn des Jahrzehnts wohl auch noch viel tiefer in den Knochen als ihren Nachbarn in Europa oder den Amerikanern.
    Zwar war im Jahr 2000, auf dem Höhepunkt des Aktienbooms, die Zahl der Aktionäre in Deutschland so hoch wie noch nie zuvor. Der Traum, über |10| Nacht reich werden zu können – fast egal, welche Aktien man kaufte –, lockte auch Sparer an die Börse, die sich vorher noch nie mit Aktien und anderen Wertpapieren beschäftigt hatten – geschweige denn, dass sie schon einmal Risikopapiere erworben hätten. Besaßen 1997 erst 5,6 Millionen Deutsche Aktien oder Anteile an Aktienfonds, so waren es 2001 plötzlich über 13 Millionen. Doch mit den Kursen sank auch die Zahl der Besitzer von Unternehmensanteilen wieder, und zwar fast so schnell, wie sie zuvor gestiegen war. Mitte 2004 waren nach einer Untersuchung des Deutschen Aktieninstituts nur noch 10,6 Millionen Bundesbürger an Aktiengesellschaften beteiligt. Bei vielen war das eher unfreiwillig, weil sie nicht wussten, wie sie die Papiere ohne Verlust wieder loswerden sollten, die sie am Ende des Aufschwungs 1999 zu hohen Kursen gekauft hatten. Auch wenn dies immerhin noch fast doppelt so viele Aktionäre waren wie sieben Jahre zuvor, waren es deutlich weniger als in anderen hoch entwickelten Ländern. Daran hatte sich bis 2006 trotz des erneuten Aktienbooms kaum etwas geändert.
    Diese Risikoscheu der Deutschen, die auch eine Folge des geringen Wissens über Wirtschaft, Unternehmen, Börse und Aktien ist, hat auch wirtschaftliche und soziale Auswirkungen. Weil Deutsche ihre Ersparnisse lieber in »Rentenwerte« als in Unternehmensbeteiligungen investieren, sind die Aktien der meisten großen Gesellschaften in Deutschland heute mehrheitlich im Besitz von ausländischen Anlegern. Zu den Investoren zählen insbesondere die großen britischen und amerikanischen Pensionsfonds. Kein Wunder also, dass sich die Vorstände der Dax-Unternehmen immer stärker an deren Interessen orientieren (müssen): Sie stellen die Mehrheit unter den Eigentümern. Die Manager der Pensionsfonds verlangen hohe Renditen, damit sie die Versprechungen erfüllen können, die sie ihren Kunden gegeben haben – den Millionen Arbeitnehmern in Großbritannien und den USA, deren Alterssicherung in hohem Maße von der Profitabilität der Fonds abhängt. Ob in Deutschland Arbeitsplätze abgebaut oder ins Ausland verlagert werden, um die Rentabilität weiter zu steigern, interessiert sie da wenig.
    Die Deutschen, die immer noch einen großen Teil ihres Geldes auf das sichere,
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