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Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Autoren: Niel Bushnell
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Prolog – Die Prophezeiung
    R ouland wischte sein blutiges Schwert an den schweren Vorhängen des Sitzungssaals ab.
    Ringsherum im Parlament lagen die Aldermänner von Aldwych mit zu grässlichen Totenmasken erstarrten Gesichtern, in denen noch der Schrecken und die Qualen standen, die sie durchlitten hatten, als Rouland sie einen nach dem anderen erschlug.
    Er ging zwischen seinen Opfern umher, um ihnen die starren Augen zu schließen. Das immerhin war er ihnen schuldig. Diese Männer und Frauen hatten als Vertreter der Adelsfamilien, die seit Jahrhunderten herrschten, den Hohen Rat der Ersten Welt gebildet. Sie waren Standesgenossen gewesen. Einige hatte er sogar als seine Freunde betrachtet.
    Das Schwert glühte sanft in seiner Hand. Es hatte sich schon lange nicht mehr an einer so üppigen Tafel gütlich tun können. Rouland spürte sein ungeduldiges Ziehen und nahm sich vor, es irgendwo sicher wegzuschließen. Es wurde viel zu stark, doch würde er es noch brauchen, wenn man der Prophezeiung glauben durfte.
    Die Prophezeiung. Rouland fluchte leise. Wegen der ver dammten Prophezeiung hatte er das Parlament hinmetzeln müssen. Zorn wallte in ihm auf, und er versetzte dem nächst besten Toten einen Tritt. Es war Dürer. Vor Jahren war er einmal sein engster Verbündeter gewesen; sie hatten ihre Freund schaft auf dem Schlachtfeld besiegelt. Und doch war Dürers Widerspruch der lauteste gewesen. Er hatte sich offen gegen Roulands Amtszeit als erster Aldermann gestellt. Im Gegen zug hatte Rouland sämtliche Anwesenden im Sitzungssaal ge tötet und sich Dürer bis zum Schluss aufgehoben. Doch die Ermordung alter Freunde hatte ihm nicht das erwartete Vergnügen bereitet.
    Er sah auf die übereinanderliegenden Toten und kam sich plötzlich sehr allein vor.
    Alles nur wegen der Prophezeiung.
    Die Tür öffnete sich mit einem Klicken, und eine dunkle Gestalt trat ein, eine schlanke Frau in eng anliegender Rüstung. Beim Anblick seiner getreuen Dienerin, Captain Alda de Vienne, hob sich Roulands Stimmung, und sein böses, schönes Gesicht brach in ein Lächeln aus.
    »Nun denn«, sagte er kühl. »Hängt die Leichen an den Toren auf, damit alle sie sehen können.«
    Captain de Vienne nickte und inspizierte das Zimmer.
    »Sie verstehen den Grund?«, fragte Rouland, dessen sichtliche Angespanntheit sich in der Gegenwart der dezenten de Vienne lockerte.
    »Die Prophezeiung«, erwiderte sie. »Ist sie nun schließlich über uns gekommen?«
    Rouland ließ sich in den Thron am Ende des Sitzungssaals fallen und hängte seine Beine über die Armlehne. »Sie voll zieht sich irgendwann im September 1940, darin sind sich alle einig – und Monat und Jahr sind nun gekommen. Ich habe Hafgans sämtliche Werke studiert, selbst die uns heute nicht mehr zugänglichen Schriften, und wenn meine Berechnungen stimmen, wird die Prophezeiung heute beginnen. Das ist meine feste Überzeugung.«
    »Der Junge von stromaufwärts wird heute eintreffen?«
    »So sagt es die Prophezeiung: Ein Junge von stromaufwärts, aus der Zukunft, wird zu uns kommen und all dem hier« – er deutete um sich – »ein Ende setzen.« Rouland gestand sich ein, dass es über eine logische Schlussfolgerung hinausging. Es war eine zunehmend stärker werdende tiefe Ahnung. Über all um sich herum konnte er den Wechsel der Gezeiten des Schicksals spüren, ein Wogen, ein Anschwellen von Ereignissen. Dinge geschahen.
    Seine Augen bewegten sich schnell. »Ich werde nicht zulassen, dass meine Herrschaft endet. Sie und Ihre Schwestern müssen sich auf die Suche machen. Er wird bald bei uns sein.«
    Captain de Vienne verneigte sich, dann ließ sie Rouland mit den Toten allein.
    Es wurde still im Sitzungssaal. Rouland wurde sich wieder des Schwertes bewusst, das glühte, pochte. Er stieß es in die nächstbeste Leiche und gestattete ihm, sich von den letzten Resten an Lebenskraft zu nähren, bevor er ging.
    Zugleich begann sein gewaltiger Verstand, die Vielzahl von Ereignissen zu berechnen, die sich aus diesem Moment entwickeln mochten. Dann dachte er für einen kurzen Moment an den Jungen. Irgendjemand stromaufwärts, vor ihm in der Zeit, war der Junge . Der Junge aus der Prophezeiung. Rouland versuchte ihn sich vorzustellen, sein mögliches Aussehen, das Jahr, in dem er vielleicht lebte. Dann merkte er, wie müßig dieses Gedankenspiel war, und er kam sich vor wie ein Narr. Das rationale Denken gewann wieder die Oberhand, und er kehrte zu seinen Plänen zurück.
    Er zog das
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