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Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Autoren: Niel Bushnell
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erschreckend schnellen Bewegungen. »Be nutz deine Augen. Benutz deinen Grips. Du weißt, dass ich die Wahrheit sage, tief in dir drinnen weißt du es.«
    »Bleiben Sie weg von mir!« Jack drohte dem Fremden mit den Fäusten.
    »Verschwende nicht unsere Zeit!« Der Alte packte Jacks Handgelenke und hielt ihn ohne Mühe fest. »Die ist knapp, und ich muss dir so viel erzählen! Du hast eine seltene Gabe, Jack; du bist ein Springer, ein Reisender durch die Zeit. Du kannst die Tränentunnel auf den Friedhöfen entlangreisen. Das sind Tunnel durch die Zeit. Jedes Grab ist durch einen Tränentunnel mit dem Todesdatum des jeweiligen Menschen verbunden. Springer wie du, Jack, – können einen Tränentunnel öffnen und ihn entlangreisen in die Vergangenheit.«
    Der Alte spähte in die Schatten und sah dann auf seine Uhr.
    »Ich heiße David Vale«, verkündete er knapp, »und ich bin dein Großvater.«
    Jack lachte. Die Behauptung war absurd. Sein Großvater war lange vor seiner Geburt gestorben.
    Der Alte ließ ihn los; seine buschigen Augenbrauen sträubten sich vor Zorn. Er ging nervös auf und ab und sah sich immer wieder auf dem Friedhof um.
    »Sie sind nicht mein Großvater«, antwortete Jack und sah sich nach einem Fluchtweg um.
    »Doch, Jack. Ich war dabei, als du auf die Welt gekommen bist«, sagte der Fremde eindringlich. »Ich hab dich dein ganzes Leben lang im Blick behalten, Jack. Weil ich wusste, dass das hier eines Tages kommen würde.«
    Jack musterte den Alten. Das Gesicht war ihm unbekannt, und doch war hinter den Verbrennungen und den Narben eine deutliche Ähnlichkeit mit einem Foto seines Großvaters auszumachen, das er versteckt in einer Schachtel unter den Besitztümern seiner Mutter gefunden hatte. Auf dem Bild war sein Opa ein Mann mittleren Alters gewesen, mit einem lebhaften Funkeln in den Augen. Davon hatte dieser ältliche Fremde nichts. Aber das gleiche breite Kinn, die gleiche krumme Nase – die hatte er sich wohl mal gebrochen –, die glei chen hervorstehenden Wangenknochen und eine Stirn, die ihm ein ernstes und eigensinnigen Aussehen verlieh. Konnte das denn wirklich sein?
    »Ich … ich gehe jetzt nach Hause.« Ihn überkamen Zweifel. Er brauchte Zeit zum Nachdenken, er musste seinen Vater finden.
    »Hörst du mir eigentlich zu, Junge?«, brauste der Fremde besorgt auf. »Ich bin dein Großvater. Ich bin hier, um dir zu helfen!«
    »Mein Großvater ist tot.«
    »Das hat dir deine Mutter erzählt, weil sie dich schützen wollte. Sie und ich, wir waren uns nicht immer einig, verstehst du. Aber du und ich, wir sind uns schon mal begegnet, Jack, oder wir werden es jedenfalls. Das hier ist 2008. Das Jahr 2008. Du bist durch den Tränentunnel deiner Mutter hierher zurückgekehrt. Du hast die Erinnerungen gespürt, oder? Du hast den Sog der Vergangenheit gespürt, der dich hereinzog. Das war derTränentunnel, er hat dich gerufen.«
    Jack starrte nach hinten zu der freien Stelle, wo eben noch das Grab seiner Mutter gewesen war. Die Erinnerungen waren noch nicht verblasst. Es war, als würden sie an seiner Seele zupfen und danach verlangen, dass er sich wieder ihnen überließ. Er riss mühevoll seinen Blick davon los.
    »Sie meinen, das hier ist 2008?«, fragte er misstrauisch.
    »Ja.«
    »Beweisen Sie es.«
    »Aber du weißt es doch längst, Jack. Du weißt sogar, welchen Tag wir haben. Du bist durch einen Tränentunnel gereist, da weiß man das Datum einfach, da spürt man es.«
    Unsicherheit und Zweifel behinderten sein Denken, und doch musste Jack zugeben, dass an den Worten des Fremden etwas dran war: Er wusste das Datum. Keine Ahnung, warum; er wusste es einfach ebenso sicher, wie er wusste, dass er zwei Hände hatte. Ein Datum beherrschte Jacks Denken: der 6. Juni 2008, der Tag, an dem seine Mutter gestorben war. Ihm wurde ganz anders. Trotzdem wollte er dem Fremden diese Geschichte nicht einfach glauben. Das konnte doch nicht ernsthaft sein Großvater David Vale sein, oder doch? War das hier wirklich die Vergangenheit? Einerseits zweifelte er daran kein bisschen, andererseits wusste er überhaupt nicht, was er davon halten sollte.
    Plötzlich kam ihm ein neue Idee: Wenn das stimmte, wenn er wirklich im Jahr 2008 war, dann …
    »Ich weiß, was du denkst«, unterbrach David seine Überlegungen. »Du denkst, du kannst deine Mutter retten.«
    Jack sah weg. Woher wusste der Alte das?
    »Deine Mutter ist bereits tot«, sagte David stockend. Seine Stimme wurde noch rauer. »Sie starb vor
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