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Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)

Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)

Titel: Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)
Autoren: Frank Demant
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Früher war Herr Schweitzer jünger. Heutzutage wurde er von Einkaufswägelchen ziehenden Greisen aus den diversen Sachsenhäuser Altersheimen links und rechts überholt. Strenggenommen war er mit seinem schlurfenden Gang ein Verkehrshindernis. Dabei war er erst siebenundvierzig. Irgendwie mußte der Prozeß zur Langsamkeit hin schleichend gewesen sein, der, und daran glaubte Simon Schweitzer ganz feste, etwas mit dem Fehlen jedweden Stresses in seinem Leben zu tun haben mußte. Vor drei Jahren hatte er seinen Job als Straßenbahnfahrer geschmissen und lebte nun ganz prima von Mieteinnahmen, Erbschaft und nicht unerheblichem Börsengewinn. Nicht daß sein Leben vollkommen sorgenfrei gewesen wäre, aber so doch annähernd. Bis auf die nun schon seit Anfang Februar andauernde regnerische Gräue und die kleine Mißstimmung mit seiner Liebsten Maria von der Heide war eigentlich alles im Lot. Es gab einfach keinen Grund zur Eile. Er würde seine Bank schon noch früh genug erreichen, um diesen Arschlöchern mal ordentlich die Meinung zu geigen. Hatten die doch einen Überweisungsauftrag wegen einer Unterdeckung von läppischen zwölf Euro zurückgewiesen und ihm dafür sechs Euro an Gebühren abgeknöpft. Und das, obwohl er bei einer Tochterfirma der Teutonischen Staatsbank ein immenses Aktienpaket deponiert hatte. Ja, wenn einer Geld leihen möchte, bedarf es eines Anrufs bei der Schufa, um dessen Bonität zu überprüfen, aber andererseits stellen sie sich blöd, wenn es gilt, mal kurz in der eigenen Firma nachzuforschen, nur um wieder einmal ein paar Euro an Gebühren kassieren zu können. Die Masse macht’s halt, überlegte Herr Schweitzer, und das Kreditinstitut wechseln machte auch keinen Sinn, da in dieser Hinsicht eh alle gleich waren.
    Als er mit der Brötchentüte in der Hand aus der Bäckerei herauskam, wäre Simon Schweitzer um ein Haar mit dem Nackten Jörg zusammengestoßen. „Entschuldigung.“
    Der Nackte Jörg nickte freundlich und ging seines Weges, wie immer lediglich mit Walkman und Badelatschen, Firma Adidas, bekleidet. In Sachsenhausen war er eine Berühmtheit und schon seit geraumer Zeit nicht mehr wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verhaftet worden. Das hätte auch nichts gebracht, zu geringfügig ist das Ding einer möglichen Erregung. Lediglich Touristen und Menschen von Hibbdebach ergötzten sich noch an dem Schauspiel.
    So kam es, daß Herr Schweitzer trotz des nackten Mannes mit seinen Gedanken schon längst wieder woanders war. Bei Maria nämlich. Und bei dem, was sie ihm gestern abend am Telefon gesagt hatte. Daß er klammern würde, ihr die Luft zum Atmen nähme. Das war natürlich kolossaler Schwachsinn. Er, der Bilderbuchliebhaber, und klammern? Lächerlich so was. Simon Schweitzer war in der Form seines Lebens, da hatte er es nicht nötig zu klammern. Pah. Vielleicht meinte Maria aber auch bloß, daß seine Liebe zu ihr zu intensiv, zu tiefgreifend sei. Wer weiß das schon, welchem Mann war es denn gegeben, in die Seele einer Frau zu blicken? Am Telefon jedenfalls hatte es so geklungen, als wolle Maria ihn am Wochenende nicht sehen. Und heute in einer Woche, Mittwoch also, würde sie wegen der ach so verdammt wichtigen Ausstellung nach Brasilien fliegen. Und ihn wollte sie da auch nicht dabei haben. Gut, okay, er wäre sowieso nicht mitgekommen. Zu heiß und zu fern der Heimat, dieses Brasilien. Aber fragen hätte man ja mal können. Andere Paare klebten auch permanent aneinander. Herr Schweitzer patschte in eine Pfütze. Und pinkeln mußte er auch.
    In Höhe der Textorstraße spannte er den Regenschirm auf, der anfangs leichte Nieselregen hatte an Stärke zugelegt. Regenmacher in Frankfurt dürfte ein ähnlich lukrativer Beruf sein wie Kühlschrankverkäufer am Nordpol, überlegte Herr Schweitzer. Auch war es noch ebenso dunkel wie in der Morgendämmerung, obwohl es schon die elfte Stunde geschlagen hatte. Die könnten ruhig die Straßenbeleuchtung wieder anmachen, maulte er, wofür zahle ich schließlich meine Steuern.
    Er betrat die Metzgerei seines Vertrauens auf der Schweizer Straße. Etliche Leute waren noch vor ihm dran. Ein grauhaariges Muttchen schimpfte über den amerikanischen Präsidenten, weil der mal wieder den Irak überfallen hatte. Muttchen meinte, der kleine Bush täte das auch deswegen, weil er ansonsten so bedeutungslos wäre und keiner ihm Beachtung schenken würde. Herr Schweitzer stimmte dem innerlich bei, fand jedoch, daß, angesichts von Tausenden
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