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Wüstenfeuer

Wüstenfeuer

Titel: Wüstenfeuer
Autoren: Clive Cussler
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PROLOG
    327 V. CHR.
MITTELMEER
    Der Trommelschlag brach sich an den Holzwänden und wurde als rhythmisches Stakkato mit makelloser Präzision zurückgeworfen. Der
celeusta
bearbeitete methodisch, geschmeidig und dennoch mit rein mechanischen Bewegungen seine Ziegenfelltrommel. Er konnte sie stundenlang schlagen, ohne aus dem Takt zu geraten – seine musikalische Ausbildung war weniger auf Harmonie denn auf Ausdauer ausgerichtet gewesen. Obwohl seinem stetigen Rhythmus anerkanntermaßen eine leistungssteigernde Wirkung beizumessen war, hoffte sein Publikum, das aus Galeerenruderern bestand, zurzeit nichts anderes, als dass diese monotone Darbietung möglichst bald ein Ende finden möge.
    Lucius Arcelian wischte eine verschwitzte Handfläche an seiner Kniehose ab, dann packte er das schwere Eichenruder etwas fester. Indem er das Blatt in einer fließenden Bewegung durchs Wasser zog, passte er sich dem Rudertakt der anderen Männer um ihn herum schnell an. Als gebürtiger Kreter war er sechs Jahre zuvor in die römische Marine eingetreten, angelockt von guter Bezahlung und der Möglichkeit, die römischen Bürgerrechte zu erlangen, sobald er sich zur Ruhe setzte.
    In den Jahren seither war er härtester physischer Arbeit ausgesetzt gewesen – und hoffte jetzt, an Bord der kaiserlichen Galeere in eine weniger anstrengende Position zu gelangen, bevor seine Arme völlig versagten.
    Im Gegensatz zum Hollywood-Mythos kamen im Altertum auf römischen Galeeren keinerlei Sklaven zum Einsatz. Bezahlte Freiwillige trieben die Schiffe an, gewöhnlich aus seefahrenden Ländern rekrutiert, die unter der Herrschaft des Kaiserreichs standen. Wie ihre Legionärskollegen in der römischen Armee mussten die Kandidaten eine wochenlange strapaziöse Ausbildung absolvieren, ehe sie auf See eingesetzt wurden. Die Ruderer waren schlank, stark und durchaus fähig, zwölf Stunden am Tag zu rudern, wenn es nötig sein sollte.
    Aber auf der nach liburnischem Vorbild erbauten Diere, einem kleinen und leichten Kriegsschiff, das jeweils zwei Reihen Ruder auf beiden Seiten hatte, waren die Ruderer ein zusätzlicher Antrieb zu einem großen Segel, das an Deck aufgeriggt war.
    Arcelian richtete den Blick auf den
celeusta
, einen winzigen kahlköpfigen Mann, der neben sich einen kleinen Affen angebunden hatte, während er trommelte. Er konnte nicht umhin, die frappierende Ähnlichkeit zwischen dem Mann und dem Affen zu registrieren. Beide hatten große Ohren und runde, fröhliche Gesichter. Ein Ausdruck ständiger Heiterkeit lag auf der Miene des Trommlers, während er die Mannschaft mit funkelnden Augen und schartigen gelben Zähnen angrinste. Sein Anblick schien das Rudern irgendwie einfacher zu machen, und Arcelian erkannte, dass der Kapitän der Galeere eine weise Entscheidung getroffen hatte, als er diesen Mann ausgewählt hatte.
    »Celeusta«
, rief einer der Ruderer, ein dunkelhäutiger Mann aus Syrien. »Der Wind bläst heftig, und das Meer schäumt. Warum müssen wir rudern?«
    Die Augen des Trommlers leuchteten auf. »Es fällt mir nicht im Traum ein, die Weisheit meiner Offiziere anzuzweifeln. Wenn ich es täte, würde am Ende auch ich ein Ruder ziehen«, erwiderte er und lachte herzlich.
    »Ich möchte fast wetten, dass der Affe schneller rudern kann«, entgegnete der Syrer.
    Der
celeusta
betrachtete den Affen, der neben ihm hockte. »Wirklich ein kräftiger kleiner Bursche«, ging er gut gelaunt auf den harmlosen Spott ein. »Aber was deine Frage betrifft, ich kenne die Antwort nicht. Vielleicht möchte der Kapitän seine geschwätzige Mannschaft ein wenig in Atem halten. Oder er hat den Wunsch, schneller als der Wind zu sein.«
    Ein paar Meter über ihnen blickte der Kapitän der Galeere auf dem oberen Deck unruhig nach achtern zum Horizont. Ein Paar ferner blau-grauer Punkte tanzte auf der turbulenten See und wurde mit jeder Minute größer.
    Der Kapitän wandte sich um, blickte auf die vom Wind geblähten Segel und wünschte sich, er könne noch viel, viel schneller sein als der Wind.
    Eine tiefe Baritonstimme störte plötzlich seine Konzentration.
    »Ist es die Geisel der Meere, die deine Knie weich werden lässt, Vitellus?«
    Der Kapitän fuhr herum und sah einen stämmigen Mann mit Brustpanzer, der ihn spöttisch musterte. Er war ein römischer Centurio namens Plautus, der das Kommando über eine Truppe von dreißig Legionären hatte, die an Bord stationiert waren.
    »Zwei Schiffe nähern sich von Süden«, erwiderte Vitellus.
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