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Macabros 031: Der Schreckliche aus dem Totenbrunnen

Macabros 031: Der Schreckliche aus dem Totenbrunnen

Titel: Macabros 031: Der Schreckliche aus dem Totenbrunnen
Autoren: Dan Shocker
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„Es gibt keinen Zweifel: Er muß den Verstand verloren
haben“, wisperte Heinz Marstner und schüttelte den Kopf.
„Eine solche Stellung einfach aufgeben! Von heute auf morgen
kündigen! Und das um diese Zeit!“
    Die Frau, zu der er das sagte, trug ein dunkles Abendkleid mit
einem raffinierten Ausschnitt. Sie war groß und dunkelhaarig,
und ihre Haut hatte eine gesunde Bräune. Diese Frau war niemand
anders als Sonja Wilken.
    „Sonja“, fuhr Marstner fort. „Sie sind schon so
lange mit ihm befreundet. Können Sie ihn nicht von dieser
verrückten Idee abbringen?“
    „Ich fürchte, dazu ist es zu spät“, bemerkte
die dunkelhaarige Schöne und drehte ernst das Champagnerglas
zwischen den schlanken Fingern, an denen zwei prächtige
Diamantringe blitzten. Sonja Wilken war Inhaberin zweier großer
Boutiquen in der Innenstadt von München. Beide Geschäfte
gingen sehr gut.
    Das Gespräch fand ebenfalls in München statt, im
„Esplanade“, einem der großen Hotels, in das Kay
Olsen zum Abschied geladen hatte. Und um Kay Olsen, den ersten
Ingenieur einer großen Elektronikfirma, drehte sich das
Gespräch.
    „Wissen Sie, Heinz, Kay hatte schon immer mehr als eine
Liebe. Erst kam sein Hobby, und dann kam ich. Es ist mir nie
gelungen, die Reihenfolge zu ändern.“
    Marstner kratzte sich im Nacken. „Dabei habe ich ihn immer
als einen vernünftigen und realistischen Menschen
eingeschätzt.“
    „Er ist vernünftig und realistisch, auf seine Weise.
Aber er ist eben ein besonderer Mensch. Er kann stundenlang über
sein Hobby plaudern und entwickelt dabei ständig neue Ideen und
Vorstellungen, daß man erstaunt darüber ist, über
welche Phantasie er verfügt.“
    „Ich habe mal gehört, daß er schon als junger
Student mehrere Fahrten auf eigene Faust nach Mexiko unternommen hat
und sogar einige Wochen lang verschollen war. Niemand wußte, wo
er steckte.“
    „Richtig. Die Spur verlor sich in Chichen Itza. Kay
genügte es nicht, nur die Stätten zu besuchen, wo der
allgemeine Touristenrummel sich abspielt. Er verschwand im Dschungel.
Kay ist der Meinung, daß gerade der Dschungel noch viele
Geheimnisse birgt, daß dort weit mehr verborgen liegt, als man
bisher ausgegraben hat. Er hat damals in der Tat Spuren und
Mauerreste gefunden, die auf unbekannte Tempel und Wohnstätten
hinwiesen. Aber das sage ich Ihnen im Vertrauen, Heinz: Kay hat nach
seinem vierzehntägigen Abstecher in den Urwald mit niemand sonst
darüber gesprochen außer mit mir. In der Folgezeit
verbrachte er jeden Urlaub in Mexiko, um seine Kenntnisse über
die alten Kulturen der Mayas und Azteken zu erweitern. Sein Haus
gleicht einem Museum. Noch ehe er mich kennenlernte, lud er schon
niemand mehr nach dort ein. Jedes Wochenende fuhr er in den
Bayrischen Wald, um in aller Ruhe und Abgeschiedenheit seinen
Forschungen nachzugehen.“
    Marstner kaute auf seiner Unterlippe. „Er ist schon ein
komischer Kauz. Dabei macht er einen ganz normalen Eindruck. Und
doch: irgend etwas stimmt nicht mit ihm. Er ist besessen.“
    Die Art und Weise, wie er das sagte, ließ Sonja Wilken
zusammenzucken.
    Sie wollte noch etwas sagen, aber Marstner fuhr schon fort:
„Ich glaube, er hat uns beobachtet… er kommt auf uns zu.
Reden wir von etwas anderem, Sonja…“
     
    *
     
    „Na, ihr beiden?“ fragte Kay Olsen fröhlich, und
man merkte ihm an, daß er schon einige Gläser Champagner
getrunken hatte. Olsen war groß und sah gut aus. Sein dunkles
Haar war kurz geschnitten. Der Ingenieur stammte aus Berlin, was er
durch seine Sprache auch nicht verleugnete, obwohl er seit seinem
fünfundzwanzigsten Lebensjahr in München weilte. Das lag
immerhin schon vierzehn Jahre zurück. „Ich nehme an, ihr
sprecht über mich? Hoffentlich nur Gutes?“
    Er legte seinen Arm um die Schultern der elf Jahre jüngeren
Boutique-Inhaberin, die sich an ihn lehnte.
    Marstner, einen Kopf kleiner als Olsen, leerte sein Glas. „Du
bist ein Glückspilz“, sagte er.
    „Ja, das bin ich. Ich bin frei. Einmal mußte ich diesen
Schritt gehen.“
    „Das meinte ich nicht“, widersprach der Kollege.
„Hier – du hast Sonja. Eine der schönsten Frauen
Münchens gehört dir, und du läßt sie einfach im
Stich. Moskitos und Schlangen, Lianen und alte, morsche Gemäuer
gehen dir vor. Da schalte ich ab, das kapiere ich einfach nicht. Und
noch etwas kommt hinzu: du gibst deinen Beruf auf.“
    „Ich muß ihn aufgeben.“
    „Warum?“
    „Er engt mich ein. Ich bin nicht frei genug.“
    Marstner
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