Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wüstenfeuer

Wüstenfeuer

Titel: Wüstenfeuer
Autoren: Clive Cussler
Vom Netzwerk:
wie er noch nie eines erlebt hatte.
    Erschüttert von dem Anblick und geschwächt von seinem eigenen Blutverlust, schickte er einen flehenden Blick gen Himmel.
    »Mögen die Götter das Schiff des Kaisers schützen«, röchelte er.
    Schwankend kehrte er zum Heck zurück, schlang die Arme um die Ruderpinne und korrigierte ein letztes Mal ihre Stellung. Die Hilfeschreie der im Wasser treibenden Männer drangen zu ihm, doch der Kapitän hörte sie schon nicht mehr, während das Schiff an ihnen vorbei segelte. Mit leeren Blicken auf die vor ihm liegende Landmasse starrend hielt er mit seinen letzten Kraftreserven die Ruderpinne fest und kämpfte um die letzten Sekunden seines Lebens.
    Im kabbeligen Wasser treibend sah Arcelian überrascht hoch, als sich die römische Galeere von ihrem Verfolger löste und plötzlich auf ihn zusteuerte. Laute Hilferufe ausstoßend verfolgte er in qualvoller Verzweiflung, wie die Galeere in tiefer Stille an ihm vorbeiglitt und ihn dabei vollkommen ignorierte. Nur einen kurzen Augenblick später bot sich das Schiff, da es drehte, seinem Blick im Profil dar – und er erkannte voller Grauen, dass nicht eine einzige lebende Seele auf dem Hauptdeck stand. Nur die einsame Gestalt von Kapitän Vitellus, zusammengesunken über der Ruderpinne auf dem erhöhten Schiffsheck, war zu sehen. Dann raschelten und knallten die Segel des Schiffes im Wind, die Galeere nahm zügig Fahrt in Richtung Küste auf und war schon bald nicht mehr zu sehen.
    JUNI 1916
PORTSMOUTH, ENGLAND
    Auf der Marinewerft herrschte trotz eines unangenehmen kalten Nieselregens hektische Betriebsamkeit.
    Schauerleute der Royal Navy hatten unter einem dampfgetriebenen Hafenkran alle Hände voll zu tun, riesige Mengen Lebensmittel und anderer Vorräte sowie Munition an Bord des grauen Schiffsriesen zu schaffen, der am Kai vertäut war. An Bord wurden die Kisten im vorderen Frachtraum säuberlich aufgestapelt, während ein Pulk Seeleute in dicken wollenen Kolanis das Schiff für die bevorstehende Reise klarmachte.
    Obwohl sie seit mehr als zehn Jahren im Dienst war, und trotz ihres jüngsten Einsatzes während der Skagerrakschlacht zeichnete sich die HMS
Hampshire
durch extreme Sauberkeit und Gepflegtheit aus. Als Panzerkreuzer der Devonshire-Klasse war sie mit ihren an die zehntausend Bruttoregistertonnen eines der größten Schiffe der britischen Marine. Mit einem Dutzend schwerer Kanonen bestückt, stellte sie außerdem eins der tödlichsten dar.
    In der offenen Tür eines leeren Lagerhauses etwa eine Viertelmeile den Kai hinunter stand ein Mann mit blonden Haaren und beobachtete durch ein Messingfernglas, wie das Schiff beladen wurde. Er hatte das Fernglas fast zwanzig Minuten lang vor den Augen, bis ein grüner Rolls-Royce erschien, den Kai überquerte und vor der Hauptgangway stoppte. Er verfolgte aufmerksam, wie eine Gruppe von Armeeoffizieren in Khakiuniformen wie aus dem Nichts erschien, den Wagen umringte und dann die Insassen die Gangway hinaufgeleitete. Ihrer Kleidung nach zu urteilen waren die beiden Ankömmlinge ein Politiker und ein hochrangiger Armeeoffizier.
    Er erhaschte einen kurzen Blick auf das Gesicht des Offiziers und lächelte zufrieden, als er sah, dass der Mann einen buschigen Schnurrbart hatte.
    »Es wird Zeit, unsere Fracht abzuliefern, Dolly«, sagte er laut.
    Dann trat er zurück in den Schatten, wo ein Gespann aus einem wettergegerbten Karren und einem gesattelten Pferd wartete. Er verstaute das Fernglas unter der Sitzbank, kletterte auf den Karren, ergriff die Zügel und ließ sie knallen. Dolly, eine alte scheckiggraue Stute, hob unwillig den Kopf, trottete dann los und zog den Karren in den Regen hinaus.
    Die Dockarbeiter achteten kaum auf den Mann, als er ein paar Minuten später seinen Karren neben das Schiff lenkte. Bekleidet mit einer verblichenen Wolljacke und einer schmuddeligen Hose, eine flache Mütze tief in die Stirn gezogen, unterschied er sich kein bisschen von Dutzenden anderer einheimischer Sozialhilfeempfänger, die sich ihr Leben mit Gelegenheitsjobs ein wenig erträglicher machten. In diesem Fall war es eine einstudierte Rolle, perfektioniert durch den Verzicht auf eine Rasur und das Verteilen einer großzügigen Menge billigen Scotch Whiskys auf seiner Kleidung. Als der Zeitpunkt für seinen Auftritt gekommen war, machte er auf sich aufmerksam, indem er Dolly zum Ende der Gangway vorrücken ließ und dann den Zutritt versperrte.
    »Schaff die Schindmähre aus dem Weg«, schimpfte ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher