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Wohin mit mir

Wohin mit mir

Titel: Wohin mit mir
Autoren: Sigrid Damm
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Italienpläne. Mit Heinrich Meyer zusammen will er ein kunsthistorisches Werk über Italien verfassen, ein Aufenthalt von mindestens einem halben Jahr in Rom ist vorgesehen. 1796 machen die Kriegswirren die Pläne zunichte, die napoleonischen Truppen marschieren in der Lombardei ein. Nach Friedensschluß im Frühjahr 1797 Reisevorbereitungen; Goethe legitimiert seinen Sohn, sichert seine Gefährtin im Falle seines Todes. Am 30. Juli bricht er auf. Er kommt nur bis Zürich, wo Meyer auf ihn wartet. Erneut Widerstände, nun von den ihm Nächsten, seiner Frau, seinem Freund. Schiller, wohl nicht ganz uneigennützig, beschwört Meyer: bewegen sie ihn … recht bald zurückzukommen . Goethe sei auf dem Gipfel seines Schaffens, er dürfe diese große Zeit der Produktivität nicht vertun. Und massiver Protest Christianes, sie will nicht mehr allein bleiben, ihre Drohung, sich mit dem Kind hinten auf die Kutsche zu setzen. Zudem fürchtet sie, Goethe könne durch die Unsicherheit der Lage etwas zustoßen: Es soll nach der Schweiz auch wegen des Kriegs übel aussehen … Ich bitte Dich um alles in der Welt, gehe itzo nicht nach Italien! Auch Goethes Mutter ist beunruhigt: … der Gedancke daß du in das Land wo jetzt Räuber und Mörder ihren Sitz aufgeschlagen haben hin wollest würde ihr alle Freude vereitel und geheimen Kummer bereiten .
    Goethe verzichtet, kehrt um. An Schiller schreibt er: Die Hoffnung auf eine immer größere theoretische und praktische Vereinigung sei eine der schönsten, die mich nach Hause lockt . Und Christiane kann lesen: … daß ich nur um Deinet- und des Kleinen wil
len zurück gehe. Ihr allein bedürft meiner, die übrige Welt kann mich entbehren. Das klingt nach Resignation. Und ist es wohl auch.
     
    Wenn man Goethes berührendes Geständnis aus dem Jahr 1826 bedenkt, daß er nur in Rom gefunden habe, was eigentlich ein Mensch sei  …, daß er zu dieser Höhe, zu diesem Glück der Empfindung … später nie wieder gekommen sei, er mit seinem Zustande in Rom verglichen, eigentlich nie wider froh geworden sei, kann man ermessen, wie groß seine Trauer war, Rom nicht wiederzusehen, und welchen entscheidenden Stellenwert er seinem Italien-Aufenthalt lebenslang zumißt.
    Nur in Gedanken, sich erinnernd, schreibend, auf dem Papier reisend, wird es ihm vergönnt sein, in die Ewige Stadt zurückzukehren. In Zusammenhang mit seiner Autobiographie »Dichtung und Wahrheit« nimmt er 1809 seine italienischen Aufzeichnungen vor. 1813 beginnt er mit der Redaktion. 1816 und 1817 erscheinen als Fortsetzung von »Dichtung und Wahrheit« unter dem Titel »Aus meinem Leben. Zweite Abteilung Erster und Zweiter Teil« die uns heute als »Italienische Reise« Teil 1 und 2 bekannten Bände. Sie enden mit dem Juni 1787. Die Schilderung der acht Monate des zweiten Rom-Aufenthaltes steht noch aus. Erst 1829, drei Jahre vor seinem Tod, wird Goethe sie als Band 29 in seiner »Ausgabe letzter Hand« publizieren.
    Mehr als vierzig Jahren sind seit der unternommenen Reise vergangen, als Goethe die literarische Aufarbeitung seines Rom- und Italien-Erlebnisses abschließt. Während den 1817/18 erschienenen Erinnerungen Papiere zugrunde liegen die im Augenblick geschrieben worden – Goethe hat seine Tagebücher von Carlsbad und Rom redigiert – , ist das Kompositionsprinzip im »Zweiten Römischen Aufenthalt« geprägt von seinem Altersstil, dem der »Wanderjahre« vergleichbar. In einem Brief an Sulpiz Boisserée spricht er von disperate Elemente , die er vereinigt habe durch einander gegenüber gestellte und sich gleichsam in einander abspiegelnde Gebilde den geheimeren Sinn dem Aufmerkendem zu offenbaren. Neben Monatsberichten und redigierten Korrespondenzen werden Partien mit ganz eigenständiger Thematik aufgenommen, ebenso bereits veröffentlichte Texte und Ausarbeitungen Dritter.
    Und die Schilderung des Abschieds von Rom? Wie mit Ovid dem Local nach, so konnte ich mich mit Tasso dem Schicksale nach vergleichen. Vom schmerzliche Zug einer leidenschaflichen Seele, die unwiderstehlich zu einer unwiderruflichen Verbannung hingezogen wird … ist in einer ersten – durch eine Tagebuchnotiz vom 31. August 1817 belegten – Abschiedsszene zu lesen. Und: Diese Hauptstadt der Welt, deren Bürger man eine Zeitlang gewesen, ohne Hoffnung der Rückkehr zu verlassen, giebt ein Gefühl, das sich durch Worte nicht überliefern läßt . In der Endfassung von 1829 verstärkt Goethe die schicksalshafte
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