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Wohin mit mir

Wohin mit mir

Titel: Wohin mit mir
Autoren: Sigrid Damm
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lassen? Der Irrwitz, über die Einsamkeit und Stille einer Landschaft in einer lärmenden Großstadt zu schreiben.
     
    31. Dezember
    Frühstück im Freien. Im Caffè Canova an der Piazza del Popolo, dort wo wir am Morgen nach unserer Ankunft im Juli saßen; derselbe Tisch, derselbe Kellner. An einem Abend, ich war allein hier, hat er mir Rotwein auf mein helles Seidenkleid gegossen. Er erinnert sich.
    Auf dem Platz sind wenige Menschen, nur auf den riesigen Bühnenaufbauten sind Leute zu sehen; Techniker, die mit Tonproben beschäftigt sind. Wiederholt in ohrenbetäubender Lautstärke Töne, in kurzen Abständen, aber immer nach Sekunden abbrechend.
    Dann die unterirdische Garage, der uns freundlich in die Einbahnstraße einwinkende Polizist. Massimiliano hilft die Kisten mit Büchern und meinen Sachen hinunterzutragen. Die Chefin steht am Auto, so gut möchte sie es auch haben, gebracht und abgeholt zu werden. Ich übergebe ihr Haustür- und Museumsschlüssel. Umarme sie.
     
    Wir verlassen Rom. Ein langes Ausfädeln aus der Stadt, zweimal verfahren wir uns, dann sind wir richtig: Velletri – Latina – Terracina. Schließlich Sperlonga. Ich habe von dem weißen Strand dort erzählt; laß uns ans Meer gehen, sagt Tobias, und die Schuhe in der Hand, wandert er vor mir her. Die Stelle, wo von den in den Sand gesteckten Eisenstangen der phantastische Wasserfall aus Feuer niederging, den ich versäumte. Das Hotel. Vom Strand aus laufen wir ein Stück an dem von üppigen Kaktusfeigen gesäumten Weg in Richtung Torre Truglia, für die verwinkelten Treppen und Gassen reicht die Zeit nicht, wir kehren zum Auto zurück.
     
    Es geht bergan, auf der Höhe hinter Sperlonga der von Paul bezeichnete Treffpunkt. Wir halten, steigen aus.
    In einem Stahlblau, sphärenhaft glänzend, breitet sich das Thyrrhenische Meer vor uns. Zur Rechten ist die Landzunge von San Felice zu sehen. Und der Monte Circeo, jener berüchtigte Zauberberg, wo, nach Homer, Odysseus mit seinen Gefährten an den Gestaden der schöngelockten Circe anlandete. Die Sonne steht direkt über dem Berg und schickt sich an, unterzugehen. Sie berührt schon den Gipfel. Sinkt langsam, ist nur noch halb zu sehen, ein Feuerball, Minuten, dann ist sie verschwunden. Für Momente trägt der Monte Circeo einen Strahlenkranz, dann verliert auch dieser sich, und der Berg wird zum schwarzen Schattenriß.
    Der Himmel ist von einem zum Purpur aufsteigenden Rot übergossen, das sich nun auch auf das Stahlblau des Meeres wirft. Eine Ausschweifung, eine Farborgie. Purpur als letzte Farbe des Tages. Das Erröten der Welt. Das Entzücken auf unserer inneren Netzhaut. Die Erhebung rechts von uns, auf der Sperlonga liegen muß, ist in ein melancholisches Schwarz getaucht, dann aber nimmt die mittelalterliche Stadt ihre düstere Maske ab, in den Steinhäusern geht ein Licht nach dem anderen an. Unten liegt wie ein Scherenschnitt die Festung Torre Truglia.
    Unser Blick auf den Monte Circeo, auf Himmel und Meer, wir stehen mit den Rücken ans Auto gelehnt, der sich abkühlende Motor knackt ab und an, das Purpur stürzt vom Thron, das Stahlblau verliert sein Bewußtsein, ganz allmählich verwischen sich die Farben,
werden zart, fast transparent. (Noch heute, zehn Jahre später, glaube ich, den glücklichsten Augenblick meines ganzen Italienaufenthalts dort erlebt zu haben. Die überwältigende Landschaft, die Nähe des Sohnes, Rom hinter mir.)
    Wir schweigen lange. Entschließen uns – um nicht ausgehungert in Itri anzukommen – zu einer kleinen profanen Vesper im Stehen. Die Thermosflasche, die Tüte mit den Tramezzini, die uns der Kellner im Caffè Canova beim Abschied überreicht hat mit der Bemerkung: für den verschütteten Wein.
     
    Und dann kommt Paul. Alles ist unkompliziert. Er hat auch Nachrichten von Bettina; sie und ihre zwei Schwestern – die eine aus Kalifornien – waren noch rechtzeitig da, sie konnten sich von der Mutter verabschieden, sie ist in ihrer gewohnten Umgebung, in ihrem Haus gestorben, ihr Mann und die Töchter waren um sie; Bettina sei darüber sehr froh, berichtet uns Paul.
    Steil geht es bergan, gewundene Wege, wir folgen Pauls Auto. Dann Hundegebell, ein Dorf. Wir halten an. Das sei ihr altes Quartier, nun ihr Gästehaus. Er führt uns in unser Zimmer, groß und hell, mit Blick auf die Berge, nennt einen Namen, es ist der des neben uns wohnenden Ehepaares, sie würden uns mit ihrem Auto dann mitnehmen. Feiern würden wir weiter oben, vor einiger Zeit
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