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Wohin mit mir

Wohin mit mir

Titel: Wohin mit mir
Autoren: Sigrid Damm
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Kleingeld im neuen Jahr nicht ausgehen.
     
    Der Neujahrsmorgen. Paul holt uns ab. Er will uns bei Tag die Landschaft zeigen. Der Seeseite abgekehrt sanfte Hügel, darin überall verstreut kleine Gehöfte. Kaum mehr bäuerlicher Besitz, meist Ferienhäuser. Eine Armbewegung, dies dort gehöre dem Schriftsteller Peter Schneider. Weiter hinten mutieren die Hügel zu Bergen, anfangs noch grün bewaldet, dann kahl von einem rostigen Gelb, schließlich in der Ferne ein Weiß, die mit Schnee bedeckten Gipfel.
    Die Sonne strahlt, es weht ein heftiger Wind. Mir erscheint die Landschaft paradiesisch. Eukalyptus- und Lorbeerbäume, Johannisbrotbäume, Feigen- und Mandelbäume, letztere klein und zart. Eine Büffelherde
kommt uns entgegen, sie trottet friedlich, der Wind kämmt das zottige Fell, wir gehen mitten durch die Herde hindurch, die traurigen Augen der Büffel.
    Zu unseren Füßen wild wuchernd Fenchel, türkisfarben schimmernd der Wermut, Rosmarin mannshoch, ebenso Lavendel, der noch vereinzelt seine blauen Blüten trägt. Die Üppigkeit der Natur. Viele Wolfsmilchstauden. Soll ihr giftiger Saft nicht der Hauptbestandteil von Circes Zaubertrank gewesen sein? Paul bejaht es.
    Der Wind trägt uns Düfte zu. Sind es die von Rosmarin oder die strengen von wildem Wermut, die sich mit dem vom Meer heraufkommenden Salzgeruch mischen? Und der Hain mit den Ölbäumen. Weitausladende, vielfach zurückgeschnittene, fast strauchförmige bizarre Gebilde. Durch die Bewegung des Windes das Changieren der oberseits graugrünen und unten weißlichgrauen Blätter. Der Stolz des Besitzers der Bäume. Paul erzählt von der Ernte und daß er die Früchte zur Mühle bringt, um eigenes Öl zu haben.
    Wir kommen an einer verfallenen Zisterne vorbei. Hier, sagt Paul, habe ein Bauer seine Frau zu Tode gebracht, sie in die Zisterne hinabgestoßen. Das sei nicht nur einmal vorgekommen. Und ich denke an das archaische Lächeln des Ehepaares auf dem etruskischen Sarkophag.
     
    Am späten Nachmittag sitzen wir auf der Bank vor dem Haus, den Rücken an der warmen Steinmauer, die Sonne blendet, wir trinken Rotwein, vor uns liegen große Sträuße von Lorbeerlaub und Rosmarin für unsere Kü
che, Geschenke unserer Gastgeber. Auch Olivenöl aus eigener Ernte. Abschied von Almuth und Paul.
    Am anderen Morgen verlassen wir zeitig Itri. In Frosinone auf die Autobahn. Die Abfahrten Roma, Orvieto, Arezzo, Firenze, Bologna, Módena, Mántova, Verona und Trento liegen gegen Abend bereits hinter uns. Bei Bozen geraten wir in einen Stau, es wird zu spät, eine Unterkunft zu suchen. Er fahre sowieso lieber durch, sagt Tobias, die Autobahn sei in der Nacht leerer und es sei Sonntag und kein Lastwagenverkehr. Einen heißen Kaffee haben wir, und Almuth hat uns einen Ohnmachtshappen mitgegeben. Ich versorge den Fahrer. Wir machen keine Pause.
    Damals, in jener Nacht auf der Autobahn, ahnte ich noch nicht, wie viele Reisen ich noch mit Tobias machen würde: mit dem Schiff die nördlichen Breitengrade hinauf bis nach Spitzbergen, auf der südlichen Halbkugel an Afrikas Westküste entlang vom Senegal bis nach Südafrika. In Dakar erstmals die Füße auf afrikanischem Boden, die Häfen Banjul, Takoradi und Lomé. In Benin mit offenen Lastwagen durch die Savanne; über und über sind wir mit feinem roten Staub bedeckt. Landgänge in São Tomé und Lüderitz. Wir wandern durch die Wüste in Namibia, stehen in Kapstadt auf dem Tafelberg, unten Robben Island, die Gefängnisinsel, auf der Nelson Mandela über zwanzig Jahre eingekerkert war. In Shanghai streifen wir durch die Altstadtviertel, blicken in Tokyo vom Fernsehturm auf die Millionenstadt. Kyoto, die Kaiserstadt. Durch Schwefeldämpfe sehen wir in der Ferne den Fudjiyama. In Catagena, Kolumbien, schaukelt Weihnachtsschmuck
an blühenden Straßenbäumen; am Heiligen Abend erleben wir die Passage durch den Panama-Kanal. Die Häfen in Ecuador, Peru und Chile. In Valparaiso, der Stadt auf den Hügeln, steigen wir zum Haus des Dichters Pablo Neruda hinauf.
    Immer ist der Anlaß für diese Reisen mein Schreiben, sind es meine Bücher, aus denen zu lesen ich eingeladen bin. Die ungewöhnlichen Orte der Lesungen: die Norwegische See zwischen Hammerfest und Longyearbyen, der Atlantik im Bereich der Iberischen Halbinsel, der Golf von Guinea in der Nähe des Äquators, der Pazifische Ozean auf einer Fahrt von den Philippinen nach Japan, der Pazifische Ozean vor der Küste Perus in Höhe der Galápagosschwelle.
    Und als mein
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