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Wohin mit mir

Wohin mit mir

Titel: Wohin mit mir
Autoren: Sigrid Damm
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südliche Städtchen unweit von Neapel. Goethes Vater Johann Caspar sagte es nicht zu: vom nicht weniger (als Fondi) düsteren Itri schreibt er in seinem »Viaggio per l'Italia«. Goethe dagegen, der auf seinem Weg von Fondi nach Formia am Vormittag des 24. Februar 1787 durch das 14 Kilometer südlich von Fondi gelegenen Itri kommt – sodann durch ein Städtchen –, ist von der gebirgigen Gegend mit ihrer Vegetationsfülle geradezu entzückt. Mignon hatte wohl Recht sich dahin zu sehnen , notiert er.
    Wenn, sagt der Sohn, mich wieder in die Gegenwart holend, wir nicht mit Bettinas Auto, sondern mit dem unseren fahren, brauchen wir auch nicht nach Rom zurück. Er schlägt vor, mit sämtlichem Gepäck nach Itri in den Süden und von dort nach Deutschland zu fahren. Sofort bin ich einverstanden.
    Am Morgen des 31. Dezember werden wir Rom den Rücken kehren.
     
    Abschied von den Gemälden Caravaggios. Als Überraschung für Tobias habe ich die Begegnung mit ihnen bis zuletzt aufgehoben. Aber Pech. Als wir am Morgen zur »Bekehrung des Paulus« und zur »Kreuzigung des Petrus« wollen, finden wir die Kirchentür verschlossen. Vermutlich wegen der lärmenden, im vollen Gange sich befindenden Vorbereitungen zu der Silvester-Mega-Party, die auf der Piazza del Popolo stattfinden soll.
    Wir gehen in Richtung Piazza Navona, biegen in die kleine Seitenstraße ein, die Kirchentüren von San Lui
gi dei Francesi stehen offen. Kaum Besucher. Die Cappella Contarelli. Wie vor Monaten Andreas werfe ich eine Münze in den kleinen Kasten, erkläre wie er das Notwendigste. Lange stehen wir schweigend, nur das Geräusch beim Aufprall der Geldstücke ist zu hören.
    Am Nachmittag ein Gang durch den Aventin, das Wetter hat sich beruhigt, das sanfte Licht einer verschleierten Sonne liegt über allem. Und schließlich in der Dunkelheit die Cestius-Pyramide und die Porta San Paolo im gleißenden Licht der Scheinwerfer; die nächtliche Stadt strahlt, auch Santa Maria Maggiore und, wie wir von weitem sehen, das Kolosseum.
     
    Und Goethes Abschied? Am 10. April 1788 schreibt er nach Weimar: Noch bin ich in Rom mit dem Leibe, nicht mit der Seele. Sobald der Entschluß fest war abzugehen, hatte ich auch kein Interesse mehr, und ich wäre lieber schon vierzehn Tage fort … Das klingt nicht nach Schmerz, nach schicksalhafter Endgültigkeit, wie es dann in der »Italienischen Reise« zu lesen sein wird.
    Am 23. April verläßt Goethe die Ewige Stadt.
    Ankunft im Norden, Fremdheit. Er, der sich in Rom jenen kimerischen Vorstellungen und Denkweisen des Nordens zu entziehen gesucht, und unter einem himmelblauen Gewölbe sich freier umzuschauen und zu atmen gewöhnt hatte, der in Rom ein anderer geworden, von aller Kleinheit … weggerückt ist, wird nun wieder mit der Enge Weimars konfrontiert. Nicht als zurückgekehrt , als zurückgewiesen empfindet er sich. Charlotte, die einstige Freundin, zeigt ihm die kalte
Schulter. Sein Liebesglück mit Christiane muß er geheimhalten.
    Bereits nach wenigen Monaten, am 27. Dezember, klagt er dem in Rom weilenden Johann Gottfried Herder: … ich kann eine leidenschaftliche Erinnerung an jene Zeiten nicht aus meinem Herzen tilgen. Mit welcher Rührung ich des Ovid's Verse oft wiederhole, kann ich dir nicht sagen.
    Erstmals taucht das Motiv der Verbannung auf. Im Jahr 8. v. Chr. wurde der Dichter Ovid von Kaiser Augustus aus Rom verbannt. In seinem erzwungenen Exil, weit hinten am Schwarzen Meere, in trauer- und jammervollen Zustande , verfaßte er seine Klagelieder »Tristia ex Ponto«. Goethe zitiert in seinem Brief an Herder zwei Zeilen aus der 3. Elegie des 1. Buches und schließt: Ich fühle nur zu sehr, was ich verloren habe, seit ich mich aus jenem Elemente wieder hierher (nach Weimar) versetzt sehe .
    Am 26. Dezember 1789 wird Goethe ein Sohn geboren. Er ist kaum ein Vierteljahr alt, als Carl August seinen Freund bittet, die Herzogin-Mutter ein Wegstück in Italien zu begleiten. Goethe bricht auf, wartet in Venedig auf sie. Die Zeit wird ihm zur harten Probe. Die Stadt erscheint ihm nun als Stein- und Wassernest. Dem Herzog gesteht er im Vertrauen …, daß seiner Liebe für Italien durch diese Reise ein tödtlicher Stos versetzt wird. Er nennt den Grund: seine Neigung zu dem zurückgelassenen Erotio und zu dem kleinen Geschöpf in den Windeln . Sein Fazit: Ich bin ganz aus dem Kreise des Italienischen Lebens gerückt.
    Dies aber ist nicht von Dauer. Rom pocht erneut an
die Tür. Jahre später wieder
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