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Wohin mit mir

Wohin mit mir

Titel: Wohin mit mir
Autoren: Sigrid Damm
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Gemeinsam durch das jüdische Viertel und die Stufen zum Kapitol hinauf. Glücklich.
     
    28. Dezember
    Eine Stunde schon wach. Erst gegen sieben muß ich die Alarmanlage ausschalten und die Putzfrau einlassen.
     
    Auf Tobias' Plan sind heute die Vatikanischen Museen. Ich spüre, er möchte alleine gehen, sich frei bewegen können.
    Für mich stehe noch das Museum der Etrusker in der Villa Giulia aus, sage ich, und er stimmt sofort zu. Wir verlassen zusammen das Haus, jeder geht in eine andere Richtung.
    Meine Neugier auf die etruskische Kunst, genährt durch den Ausflug mit Bettina nach Vulci und Cerveteri. Die Vasen, Terrakotten und Bronzen im »Museo Nazionale Etrusco«, eine schöner wie die andere. Mein Ziel aber ist der Sarkophag der Eheleute. Eine große Terrakotta-Figur aus dem 6. Jahrhundert vor Christus. Die Harmonie, die das Paar ausstrahlt. Blaß vor Neid stehe ich davor. Ihr archaisches Lächeln. Das Geheimnis ihrer Nähe?
    Draußen Donnergrollen, heftiger Wind, dann Donnerschläge, schließlich schüttender Regen. Ich stehe in der Eingangshalle. Mein Warten hat wenig Sinn. Der Himmel ist tiefschwarz, der Wind braust. Der Regen zumindest schüttet nicht mehr, als ich losgehe, er kommt in Böen, reißt an den Wipfeln der Bäume, sie biegen sich bedrohlich. Krachend stürzen zwei Bäume hinter
mir nieder. Wo wird Tobias sein? (Mütterliche Ängste, die er stets als überflüssig abwehrt.) Ich laufe schneller – es gibt keinen Weg als den durch den Park der Villa Borghese für mich –, in der Höhe der Piazza di Siena sehe ich, wie ein riesiger Ast bricht und niederstürzt. (Anderntags lesen wir, auch in Paris und Berlin Unwetter, entwurzelte Bäume, Überschwemmungen.)
     
    Der Abend. Der Sohn blättert und liest in einem Bildband über die Sixtinische Kapelle. Ich in einem Buch des englischen Schriftstellers Lawrence über seine Reise zu den Etruskern. Schweigen. Durch die geschlossene Balkontür in der Ferne Signale von Feuerwehr und Krankenwagen.
     
    29. Dezember
    Als wir beim Frühstück sitzen, klopft es. Massimiliano. Er habe ein Telefonat für uns entgegengenommen. Frau Bolli sei gestern nach Deutschland geflogen, ihre Mutter liege im Sterben oder sie sei gestorben; Genaueres weiß er nicht, auch nicht, wer der Anrufer war.
    Schweigend frühstücken wir weiter. Mit dem Gedanken beschäftigt, was nun Silvester wird. Bettina hatte uns eingeladen, mit ihr wollten wir in den Süden zu Freunden fahren. Meine Freude über ihren Vorschlag war groß gewesen. Keinesfalls wolle ich den letzten Tag meiner Stipendiatenzeit, den 31. Dezember 1999, in Rom verbringen, hatte ich Tobias schon am Ankunftstag gesagt und ihm die riesigen Stahltribünen für Großveranstaltungen auf der Piazza del Popolo gezeigt.
    Also doch Rom, frage ich jetzt zweifelnd, vielleicht
willst du in fünfzig Jahren deinen Enkeln erzählen, du seiest beim Eintritt in das 21. Jahrhundert in der Ewigen Stadt gewesen?
    Nein, kalendarisch genau beginne zudem das neue Jahrtausend erst am 1. Januar 2001, sagt der Sohn. Steht auf, holt den Atlas, wir könnten nach Norden fahren bis zu den Alpen und auf einer Paßhöhe – auf der italienischen Seite noch – in einem kleinen Dorf zum Beispiel ein Quartier suchen, anhalten und feiern. Eine gute Idee. Tobias prüft günstige Autobahnabfahrten, ich mehr den Wohlklang der Namen. Vielleicht ein Ort, den Goethe auf seiner Rückreise von Italien tangiert hat? Vom Comer See aus hat er den Weg über den Splügenpaß, über Chur, Vaduz nach Konstanz genommen. Das führt uns zu weit ab. Noch während wir, über den aufgeschlagenen Atlas gebeugt, debattieren, klopft es erneut.
    Wieder ist es Massimiliano. Ich möchte ins Sekretariat kommen, ein Gespräch für mich. Am Telefon ein Mann namens Paul, er stellt sich als Bettinas Freund vor, auch im Namen seiner Frau möchte er mich und meinen Sohn zu Silvester nach Itri einladen. Er nennt mich beim Vornamen, wie es mir aus Schweden vertraut ist; den Weg bis Sperlonga kennst du ja, sagt er, ihr fahrt weiter bis auf die Anhöhe, wo sich der Weg gabelt, der rechte führt nach Gaeta, der linke in die Berge und zu uns. Aber es ist schwer zu finden. An dieser Kreuzung – dein Sohn hat doch ein Handy – ruft ihr mich an, ich hole euch ab. Alles klar, sagt er, wartet ein kurzes Okay meinerseits ab und legt mit einem »Wir freuen uns auf euch« den Hörer auf.
    Mir hat es fast die Sprache verschlagen. Ein Luftsprung. Ich überbringe Tobias die Nachricht. Itri, das
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