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Wohin mit mir

Wohin mit mir

Titel: Wohin mit mir
Autoren: Sigrid Damm
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Pforte von Gründonnerstag 1983 bis Ostersonntag 1984 zum außerordentlichen Heiligen Jahr der Erlösung geöffnet. Seither ist sie zugemauert. Heute nun soll sie wieder betretbar und bis zum 6. Januar 2001 begehbar sein. Tausende und Abertausende sind zu diesem Ereignis nach Rom gekommen. Die Erwartungen der Gläubigen.
    Und dann ist es soweit. Unter vielen Zeremonien und Gebeten – für uns lautlos – wird die heilige Pforte geöffnet, und Papst Johannes Paul II . und der Klerus ziehen in einer prächtigen Prozession durch sie in den Petersdom ein.
    Der Papst, ein kranker alter Mann, die Mitra und sein prächtiger Umhang sind ihm viel zu schwer, er scheint sich kaum auf den Beinen halten zu können, tief gebeugt klammert er sich an seinen Petrusstab, die Ferula. Sein Gesicht immer wieder in Großformat auf dem Bildschirm. Karol Józef Wojtyłas erzwungenes Lächeln; eine berührende Mischung aus List, Bauernschläue und durch Erschöpfung und Schmerz schimmernde verzeihende Güte. Die Unbarmherzigkeit der Fernsehkamera, ihre Schamlosigkeit, die verletzende, kaum zu ertragende Nähe. Wir schalten aus.
     
    Als wir mit dem Taxi von der Via Barrili zur Via del Corso zurückfahren, kündigt sich die Morgendämmerung schon an. Ich denke an Goethe, der in Rom unzählige Kirchen besucht. Der als protestante in die Einwohnerlisten Eingetragene im Rom des Katholizismus.
400 Kirchen gibt es zu seiner Zeit in der Stadt, 240 Klöster, 73 Stifte. Von den 35 894 Häusern gehören allein 28 000 der Kirche. Ein Viertel der arbeitsfähigen Bevölkerung ist im öffentlichen Dienst der Kirche tätig. Über 100 000 Pilger kommen im Jahr nach Rom. Am 6. Januar 1787 notiert Goethe: Am ersten Christfeste sah ich den Papst und die ganze Klerisei in der Peterskirche … Es ist ein einziges Schauspiel in seiner Art, prächtig und würdig genug … Dann aber sein Einwand, er gesteht: daß mir diese Herrlichkeit mehr nimmt als gibt … Für ihn sind die Schöpfungen der Natur und der Kunst das weitaus Wichtigere. Eine Wirkung der Natur hingegen , fährt er fort, wie der Sonnenuntergang von Villa Madame gesehen, ein Werk der Kunst, wie die viel verehrte Juno, machen tiefen und bleibenden Eindruck . Dann endet er mit einem barschen, summierenden Urteil über die Italiener: Ihre Zeremonien und Opern, ihre Umgänge und Ballette, es fließt alles wie Wasser von einem Wachstuchmantel an mir herunter.
     
    Der Harmonie des Weihnachtsabends folgt am ersten Feiertag Streß. Wir sitzen beim Frühstück, da gehen alle Lampen im Zimmer aus. Wir öffnen die Tür, auch da Finsternis. Keine Taschenlampe, mit einer Kerze gehen wir in den Museumsflur. Stille, kein Schlagen, die Klimaanlage schweigt. Die Alarmsicherung funktioniert noch, aber für die kleine Kammer blinkt die Warnleuchte, das bedeutet eine zu hohe Temperatur. Die wertvollen Originale in der Kammer. Und im Museum die Sonderausstellung mit den Handzeichnun
gen. Ich gerate in Panik. Tobias beruhigt mich. Es muß ein Notstromaggregat geben, sagt er. Aber wie lange es arbeiten wird und was es bedient, wissen wir nicht. Offensichtlich nicht die für das Museum lebenswichtige Klimaanlage.
    Ich mache mich auf die Suche nach Notstrom und Hauptsicherung, sagt der Sohn, versuche du die Chefin des Hauses zu erreichen. Das Telefonbuch im Sekretariat ist im Schreibtisch eingeschlossen. Ich rufe in Deutschland Konrad Scheurmann an, er gibt mir die Nummer. Aber niemand hört, und auch kein Anrufbeantworter ist eingeschaltet. Nervös rufe ich nacheinander die drei Mitarbeiter in Rom an. Dasselbe. Nur bei Domenico Matilli kann ich aufs Band sprechen. Tobias kommt zurück, die Hauptsicherung hat er nicht gefunden, aber das Notstromaggregat. Es werde nicht mehr lange laufen, sagt er, es sende als Warnmeldung schon Pieptöne aus und an der kleinen Lichtorgel sei abzulesen, daß es bald leer sein werde.
    Also den Sicherheitsdienst alarmieren, die Sistemi di Sicurezza in der Via Cavour. Tobias schlägt im Italienisch-Wörterbuch Stromausfall, Notstromaggregat und Warnmeldung nach. Ich wähle die Nummer. Die drei Worte bewirken Wunder, innerhalb von zehn Minuten ist ein Mann da. Er wird fast zornig, als wir nicht angeben können, wo sich die Hauptsicherung befindet. Nicht in dieser Etage, sagt Tobias. Der Mann kramt in seiner Tasche voller Schlüsselbunde, hält einen dann gegen das Licht seiner Taschenlampe, winkt Tobias ihm zu folgen; die Tür klappt zu, ihre Schritte die Treppe abwärts.
    Der Luftzug der
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