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The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)

The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)

Titel: The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)
Autoren: Lee Goldberg
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KAPITEL EINS
    Sensurround
    Es war überhaupt nicht so wie in seiner Vorstellung. Sicher, alles was Martin Slack sich so vorstellte, oder zumindest große Teile davon, schien dem Fernsehprogramm oder Filmen zu entspringen, also dachte er sich, dass es nun wirklich nicht an seinem eigenen Vorstellungsvermögen liegen konnte, wenn die Dinge nicht so waren, wie sie sein sollten.
    Es gab keines dieser ominösen Warnsignale, die jeder ignorierte, wie große, aufgeschreckt davonfliegende Vogelschwärme oder grundlos bellende Hunde oder ein leises Grollen, das gemeinhin mit einem Schulterzucken als vorbeifahrender Lastwagen abgetan wurde.
    Marty hatte weder vor zu heiraten noch aus der Armee auszuscheiden, es stand auch keine Jungfernfahrt an oder die Taufe eines gewagten neuen Bauprojekts – alles eindeutige Vorboten einer Katastrophe, zumindest laut Irwin Allen, dem ausgewiesenen Experten auf diesem Gebiet.
    Aber wenigstens eine Sache war wie im Film: Hier lag er, unter seinem Auto, genau wie Charlton Heston in » Erdbeben« . Damit erschöpften sich die Gemeinsamkeiten zwischen Marty und Charlton aber auch schon.
    Er klammerte sich nicht an Ava Gardner, und er würde sich sicherlich nicht opfern, um sie anstelle von Geneviève Bujold zu retten. Und als das Beben vorbei war, fand Charlton sich auch nicht in Embryostellung zusammengekauert wieder, übersät mit Staub und Glassplittern und mit der Frage beschäftigt, ob die juckende Feuchtigkeit an seinen Beinen Blut, irgendwas vom Auto oder seine eigene Pisse war.
    Marty wollte sich am liebsten gar nicht bewegen. Er fühlte sich genauso wie damals, als er in Camp Cochise in seinem durchnässten Schlafsack aufwachte, unfähig sich zu rühren und inständig hoffend, dass alles trocknen würde, bevor die anderen Camper, besonders dieser Tyrann Dwayne Edwards, aufwachten und entdeckten, dass er ein Bettnässer war. Die Heftigkeit der Angst und der Scham, dreißig Jahre später, überraschten ihn fast so sehr wie die Tatsache, dass er jetzt daran denken musste.
    Die Scham reichte aus, um die Augen zu öffnen und die Ziegelsteine und Glasscherben wegzuschieben, die um das Auto herum verstreut lagen. Er hievte sich unter seinem Mercedes hervor und schnitt sich in der Eile die Finger an den Glassplittern auf. Aber das kümmerte ihn jetzt nicht. Er musste hier raus.
    Als Erstes fiel ihm der Staub auf, der kreidige Dunst von pulverisiertem Gips, Mörtel und Ziegelsteinen. Überall. In seinen Augen, seiner Nase, seiner Lunge. Hustend rappelte er sich auf und kam, um sein Gleichgewicht ringend, auf die Beine. Es war auch nicht sonderlich hilfreich, dass der Asphalt überall aufgeplatzt war und Blasen schlug, so als strebte irgendetwas da unten mit aller Kraft danach, an die Oberfläche zu kommen.
    Das heruntergekommene Lagerhaus, in dem er sich einige Minuten zuvor noch befunden hatte, um die obligatorische Stippvisite des Programmverantwortlichen am Set von » Fahr zur Hölle« hinter sich zu bringen, war jetzt nur noch ein Haufen Ziegelsteine, die auf sein Auto prasselten und es platt drückten, als sei es ein 42 000 Dollar teures deutsches Dosenbier.
    Das Lagerhaus war nie erdbebensicher saniert worden. Es stand seit Jahrzehnten leer und war dem Verfall überlassen worden, was es zu einer wunderbar heruntergekommenen Kulisse für Gangsterfilme machte.
    Doch heute war es nicht leer.
    Da drin waren fünfzig oder sechzig Leute. Die Schauspieler, das Team, der Regisseur. Jetzt lagen sie unter Tonnen von Schutt begraben. Und wenn Marty zehn Sekunden länger sein Schwätzchen gehalten hätte, wäre es ihm genauso ergangen.
    Großer Gott.
    Marty stolperte über die Trümmer und bahnte sich einen Weg um die Überreste der ehemaligen Lagerhalle herum. Er sah, wie eine Handvoll Catering-Mitarbeiter, Elektriker, Bühnentechniker und Kostümbildner über die Geröllhaufen wimmelten und fieberhaft zwischen den Steinen herumwühlten, auf der Suche nach Überlebenden.
    »Hat irgendeiner Hilfe gerufen?«, rief er, wartete aber keine Antwort ab. Er zog bereits sein Handy aus der Tasche, klappte es auf wie das Kommunikationsgerät von Captain Kirk und wählte den Notruf, während er sich den anderen näherte.
    Das kleine Gerät blökte ihm einen elektronischen Protestton entgegen. Kein Empfang.
    Scheiße!
    Wozu hatte man ein verdammtes Mobiltelefon, wenn man sich in einem solchen Moment nicht darauf verlassen konnte?
    Marty ließ das Telefon zuschnappen, steckte es in seine Tasche und schloss sich
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