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Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
Autoren: Gert Prokop
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Zwei Stichlinge aus Illinois
    Die Nachricht traf mich wie ein Schock. Gut, ich war noch mächtig vertrieft, als der Anruf kam, wir hatten die ganze Nacht hindurch diskutiert und getrunken, und ich hatte mehr Whisky geschluckt, als ich mir sonst zutraue, weil ich für meine Theorie, der zweite Mond des Transpluto sei eine Relaisstation Außerirdischer, nur Hohn erntete – dabei war ich der einzige unter den Anwesenden, der an der Umkreisung des Transpluto teilgenommen hatte –, doch was mich wirklich umwarf, war der Inhalt des Anrufs. Ich sollte so schnell wie möglich zum Flughafen kommen und mir ein Luftpostpaket aus Chicago abholen: Man befürchte, daß die Verpackung auf dem Transport beschädigt worden sei, und es handle sich um leichtverderblichen Inhalt – Fisch!
    Haben Sie schon von jemandem gehört, der ein Paket aus den Staaten bekommen hat?
    Zwei- oder dreimal im Jahr bekomme ich Briefe von drüben, und schon deshalb werde ich, obwohl alle wissen, daß es sich nur um Drucksachen handelt, Prospekte für Lyrik-Neuerscheinungen, die ich seit meiner Reise in die Alte Welt zugeschickt bekomme, von meinen Freunden und Verwandten neidisch angesehen – und mit gieriger Erwartung: Wem werde ich dieses Mal die seltenen Briefmarken geben? – Doch wer, um aller Himmel willen, konnte mir ein Paket schicken?
    Noch nie in meinem Leben, abgesehen von zwei Alarmen im All, war ich so schnell angezogen; ich nahm mir nicht einmal die Zeit für eine Tasse Kaffee, sondern frühstückte im Speisewagen der Metro. –
    Auf dem Flughafen betrachtete man mich mit einem Gemisch aus Ehrfurcht und Mißtrauen und schickte mich zum Zoll. Der Zöllner verriet mir, daß Luftfrachtsendungen aus den Staaten gar nicht so selten sind; mit jeder der monatlichen Maschinen kommen etliche Dutzend. Ungewöhnlich sei nur, daß dieses Paket nicht an ein Forschungsinstitut adressiert war, sondern an eine Privatperson, denn das »Korrektorat für Ichthyologische Forschungen«, das vor meinem Namen stand, sei doch offensichtlich eine Fiktion.
    Ich mußte das Paket vor den Augen des Zöllners auspacken, nicht nur, weil alle Sendungen aus den Staaten verständlicherweise streng kontrolliert werden, sondern vor allem, weil es penetrant roch. In dem Transportbehälter aus Thermoplast steckte ein silberglänzender, schuppiger Kasten und in dem wiederum ein Karton aus meergrüner Folie mit eingeprägtem goldenem Dreizack und mit der Aufschrift: OLD NEPTUN’S TREASURY, in der linken unteren Ecke stand die Inhaltsangabe: »2 Stück Illinois-Stichlinge«.
    Die Stichlinge sahen eher wie Hechte aus, wogen jeder etwa ein Kilo und stanken jetzt, da die schützenden Hüllen gefallen waren, derart, daß ich die Sendung beinahe in den Nihilator geworfen hätte. Ich hatte in der vergangenen Nacht wirklich zuviel getrunken, sonst hätte der Absender in meinen grauen Zellen Alarm auslösen müssen. Aber ich rief wenigstens im »Institut für Meereskunde« an und erkundigte mich, ob man dort vielleicht Interesse an leicht verwesten Illinois-Stichlingen habe. Der Ichthyologe, mit dem man mich verbunden hatte, geriet fast aus dem Häuschen und beschwor mich, ihm die Fische sofort zu bringen, es seien rare Kostbarkeiten und tatsächlich Stichlinge, die in einigen Seen um Chicago zu solcher Größe mutiert wären.
    Erst als ich in der Metro den dritten Mokka trank, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: OLD NEPTUN’S TREASURY! Daß ich nicht gleich daran gedacht hatte, wie Timothy Truckle, mein verschollener Freund aus Chicago, seinerzeit die Fische behandelt hatte, die er von ebendieser Firma ins Haus geschickt bekam!
    Die Ichthyologen, die mich gleich im Dutzend empfingen und bereit schienen, sich um die stinkenden Stichlinge zu raufen, guckten nicht schlecht, als ich jetzt darauf bestand, selbst erst einmal die beiden Tiere zu untersuchen, mir Pinzette und Skalpell geben ließ, Schwanz- und Bauchflossen präparierte und dann die Augen der Fische vorsichtig herauslöste. Auf den ersten Blick sahen sie wie ganz normale Augen aus, und sie bestanden eindeutig aus organischem Material, sonst hätten sie wohl auch nie die Ausfuhrkontrollen in den Staaten passieren können, doch ich war sicher, daß mir die Illinois-Stichlinge nur wegen dieser Augen zugeschickt worden waren: Sie waren absolut frisch.
    Die Ichthyologen wollten mich nun natürlich erst recht nicht mit den Augen ziehen lassen, doch was blieb ihnen übrig.
    Ich fuhr zur Uni und fragte herum; an der Fakultät
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