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0743 - Die Kinder des Adlers

0743 - Die Kinder des Adlers

Titel: 0743 - Die Kinder des Adlers
Autoren: Austin Osman
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Dort ließen sie den Mann fallen. Er stürzte zu Boden, blieb einen Moment reglos liegen und versuchte dann, sich aufzurichten. Auch er war ein Weißer, aber er hatte eine hellere Haut als die anderen.
    Diese anderen standen abseits, beobachteten spöttisch seine Bemühungen aufzustehen, rauchten, warfen dann ihre Zigarillos weg und griffen zu ihren Waffen.
    Das Krachen der M-16 zerschlug die Geräusche des Waldes. Kreischend spritzten Vogelschwärme aus den Baumwipfeln, und Affen rauschten in panischer Flucht durch das Astwerk davon. Dann fiel atemlose Stille über die Lichtung.
    Die Männer betrachteten die Leiche ihres Opfers, machten einige Bemerkungen und schlenderten zu dem Trampelpfad, auf dem sie gekommen waren.
    Sie gingen so nahe an den Indios vorbei, dass sie nicht einmal den Arm auszustrecken bräuchten, um die Späher zu berühren.
    Aber sie bemerkten nichts. Natürlich bemerkten sie nichts.
    Doch die Indios rochen den Gestank von Fusel, billigen Zigarillos und Schweiß, der die Männer wie ein Fliegenschwarm begleitete.
    »Wir konnten nicht helfen«, sagte der Indio mit der Vogelmaske. »Aber wir müssen es dem Alten sagen. Diese Weißen kommen immer näher. Sie sind wie Wanderameisen, voller Gier und Raublust!«
    ***
    Um diese Zeit war der botanische Garten von Dijon wie ausgestorben. Die sommerliche Hitze vertrieb die Pensionäre, die sonst immer die Bänke besetzt hielten, um über Gott und die Welt zu lästern, bevor sie sich zum nächsten Boule-Spiel aufrafften. Auch die Müt ter mit den Kinderwagen zogen es vor, die kühleren Abendstunden für ihre Spaziergänge zu nutzen. Und alle anderen, die zu anderen Zeiten die Wege des schönen Gartens bevölkerten, waren in den Sommerferien und ließen sich den erfrischenden Seewind der Bretagne oder der Normandie um die Nase wehen.
    So hatten nun die Spatzen Gelegenheit, von den Schulferien zu profitieren, und sie taten es ausführlich, indem sie im Sand der Wege badeten, auf den Randsteinen hockten und lautstark tschilpten, als müssten sie die Rentner ersetzen.
    Umso empörter klang ihr Lärm, als zwei Jugendliche schnell den Hauptweg entlangschritten. Die beiden waren eigentlich zu schnell für diese Sommerhitze. Die Spatzen flüchteten in die nächsten Äste, veranstalteten ein unmelodisches Konzert und stürzten sich wieder auf ihre angestammten Plätze, als die beiden Störenfriede im Tropenhaus verschwanden.
    Das Tropenhaus war nichts als ein überdimensionales Gewächshaus. Am Eingang hatte sich ein lokaler Künstler austoben dürfen, und er hatte eine Eisenplastik geschaffen, die aussah wie eine Palme, die sich unter einer Kolik züsammenkrümmt. Jedenfalls war es Kunst und mit etwas freundlicher Fantasie konnte man sich auch die Beziehung zur tropischen Vegetation denken.
    Ein unerträglich heißer und feuchter Lufthauch schlug den beiden Besuchern entgegen, als sie durch den Vorraum geschritten waren, der als Schleuse diente und die Glastür zum Inneren aufdrückten.
    »Mein Gott, ich sehe überhaupt nichts mehr.«
    Der kleinere und dickere der beiden Jugendlichen riss sich die völlig beschlagene Brille von der Nase und kniff seine kurzsichtigen Äuglein zusammen.
    Sein Begleiter lachte. »Keine Panik, das gibt sich gleich.«
    »Ich hasse es, wenn ich so halb blind durch die Gegend stolpern muss.«
    Sie warteten eine Weile, bis er durch die Brille wieder etwas sehen konnte. Inzwischen waren beide bis auf die letzte Kleidungsfaser durchgeschwitzt.
    Sie blickten sich um, blinzelten sich verschwörerisch zu und gingen den kiesbestreuten Weg entlang, der durch die künstliche Tropenlandschaft führte.
    »Hast du die Tüte?«, wurde der Dicke gefragt.
    »Lass mich überlegen«, der Dicke rückte sich die Brille zurecht und legte den Finger an die Nase. »Wie oft hast du mich das in den letzten zehn Minuten gefragt? Zwanzig Mal? Alle dreißig Sekunden? Jaaaaa, ich habe die blöde Tüte und die Schaufel hab ich auch. Aber wenn uns ein Wächter erwischt, dann schiebe ich die ganze Schuld auf dich, mein lieber Leo.«
    »Das machst du doch sowieso immer«, antwortete Leo grinsend.
    Sie kamen auf einen erhöhten Weg aus Bretterbohlen, der sich über einem dicht wucherndem Unterholz hinzog und dann einen kleinen Teich überbrückte.
    Auf der anderen Seite des Teiches schwang sich Leo über die Brüstung und landete zwischen hohen Farnen.
    »Tüte. Schaufel!«, befahl er wie ein Chirurg im Operationssaal. »Nun mach schon, Jules.«
    Umständlich händigte
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