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Wofür du stirbst

Wofür du stirbst

Titel: Wofür du stirbst
Autoren: Elizabeth Haynes
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Zeit.«
    Colin hatte bei ihr versucht, was er auch bei mir versucht hatte – Hypnose, Gehirnwäsche oder sonst etwas –, doch es hatte nicht funktioniert, er hatte ihren Verstand nicht unter Kontrolle gebracht und sie deshalb eingesperrt. Sie hatte das Gefühl, als hätte er sie entsorgt. Sie hatte Angst, die Augen zu schließen und zu schlafen, weil sie fürchtete aufzuwachen und ihn vor sich zu sehen. Oder gar nicht mehr aufzuwachen.
    Sam trank seinen Cappuccino. Er wusste, dass ich ihm nicht mehr erzählen würde. »Das heißt also, dass alles vorbei ist, wenn sie sich entschieden haben?«
    »Ich denke schon. Entweder schmeißen sie mich raus, oder ich gehe wieder zur Arbeit.«
    »Na ja, dann kannst du wenigstens mit uns in Urlaub fahren. Solltest du morgen trotzdem zur Arbeit müssen, kannst du ja immer noch Urlaub beantragen, oder?«
    Er redete bereits seit vierzehn Tagen auf mich ein. Die Familie wollte über Weihnachten für eine Woche in ein Cottage nach Devon fahren, das sie bereits letztes Jahr gebucht hatten. Dort gab es nur zwei Schlafzimmer, Sam wollte auf dem Sofa schlafen, wenn ich mitkam. Auch Irene beharrte darauf, dass mir ein kleiner Urlaub guttun würde.
    Was mir guttun würde, war, nach Hause zurückzukehren und mein Leben wieder auf die Reihe zu bringen, dachte ich.
    »Ich möchte lieber nicht mitkommen«, sagte ich. »Das ist zwar wirklich ein sehr nettes Angebot, aber ich habe so viel zu tun. Außerdem kann ich Audrey nicht alleine lassen.«
    »Du hast doch selbst gesagt, dass es ihr besser geht. Eine Woche wird ihr doch nichts ausmachen. Du kannst immer noch alles erledigen, wenn wir wieder zurück sind.«
    Wir mussten endlich das Gespräch führen, das schon die ganze Zeit über uns schwebte, seit ich bei ihm ins Gästezimmer gezogen war. Ich hatte es immer wieder vor mir hergeschoben und gehofft, das Problem würde sich von alleine lösen, doch es wurde nur schlimmer.
    »Sam«, fing ich an. Herrgott, wie peinlich das war. »Ich verstehe dich nicht so ganz. Ich weiß einfach nicht – was du eigentlich von mir willst?«
    »Ich will gar nichts von dir«, sagte er fröhlich.
    »Ich meine – ich weiß nicht so recht. Wir sind doch Freunde, oder?«
    »Ja, natürlich.«
    »Und sonst nichts? Ich habe nur – ich finde es irgendwie komisch, dass ich bei euch eingezogen bin. Und jetzt mit euch in Urlaub fahren soll. Ich bin nicht so gut in diesen Sachen; ich weiß nie so genau, was für Beweggründe die Leute haben. Und ich fände es schrecklich wenn du na ja, etwas erwarten würdest …«
    »Ich erwarte gar nichts«, sagte er. »Und ich finde es überhaupt nicht komisch, dass du bei uns eingezogen bist. Wir haben dich schließlich eingeladen, oder? Das tun Freunde eben – sie helfen einander.«
    »Tut mir leid«, sagte ich. Mir war plötzlich ziemlich warm. Die Tatsache, dass er so entwaffnend entspannt war, machte es noch viel schwieriger, als ich mir vorgestellt hatte.
    »Es muss dir nicht leidtun«, sagte er.
    »Bist du schwul?«, fragte ich plötzlich. »Ich meine, das soll nicht heißen, dass du schwul sein musst, nur um kein Interesse an mir zu haben, ganz und gar nicht. Ich meine, warum interessierst du dich überhaupt für mich? Ich bin mindestens zwölf Jahre älter als du und … Na ja …« Ich sah an mir herab, als würde das alles erklären.
    Sam verschluckte sich an seinem Kaffee. Als er sich wieder gefangen hatte, starrte er angestrengt auf den Boden seiner Tasse, als läge die Antwort im Milchschaum.
    »Ich bin nicht schwul.« Er lächelte und versuchte nicht laut loszulachen. »Ich bin momentan einfach nur glücklicher Single. Ist das okay?«
    Dem folgte eine kurze Pause. Ich nippte an meinem Tee. Das lief nicht besonders gut. Ich überlegte mir gerade eine neue Entschuldigung, als er mich überrumpelte.
    »Ich finde dich durchaus attraktiv. Du bist entzückend, klug, und man kann sich toll mit dir unterhalten, auch wenn du das selbst offenbar nicht weißt. Aber …« Er atmete tief durch. »Könnten wir trotzdem einfach nur Freunde sein?«
    »Ja«, sagte ich erleichtert. »Das klingt großartig.«
    »Heißt das, dass wir zusammen in Urlaub fahren?«
    Jetzt konnte ich nicht mehr ablehnen, oder? »Na schön«, sagte ich. »Als Freunde.«
    Mein Handy klingelte in meiner Tasche. Die Nummer des Anrufers war unterdrückt – das hieß, der Anruf kam vermutlich vom Polizeihauptquartier. Ich atmete tief durch und ging ran.

 
    Colin
    Ich war schon immer stolz darauf, dass ich die
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