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Charons Klaue

Charons Klaue

Titel: Charons Klaue
Autoren: R. A. Salvatore
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Prolog
    Das Jahr des Wiedergeborenen Helden
    (1463 DR)
    Ravel Xorlarrins hohe Stiefel wurden von seiner lila Robe umspielt und klackten herausfordernd, als er den Audienzsaal seiner Mutter betrat. Natürlich wussten alle Anwesenden, dass er sich vollkommen lautlos zu bewegen vermochte; wie beim Drow-Adel üblich, waren auch seine Stiefel mit dieser ziemlich verbreiteten magischen Eigenschaft versehen. Die schwarze Kapuze seines Umhangs hatte er zurückgeworfen, um mit seinem wallenden weißen Haar weitere Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Immerhin war dies der Augenblick seines Ruhms.
    Auf der linken Saalseite warf sein älterer Bruder und Erzeuger, Brack’thal der Ältere, ihm einen flammenden Blick zu. Das war zu erwarten gewesen, hatte der deutlich jüngere Ravel doch als mächtigster Spross der Xorlarrin den Mantel übernommen. Einst war diese große Ehre Brack’thal zuteil geworden, der als machtvoller Zauberer die Gunst der Oberinmutter Zeerith genoss. Doch während der Zauberpest hatte Brack’thal schrecklich gelitten und einen Großteil seiner Macht eingebüßt.
    Zur selben Zeit war der Lehnsherr des Hauses mit dem unvorteilhaften Namen Horoodissomoth dem Wahnsinn verfallen und in einem verspätet gezündeten Feuerball aufgegangen, den er versehentlich in seine eigene Jackentasche gesteckt hatte.
    Darum hatte sich Zeerith von Brack’thal begatten lassen, der damals halb im Koma lag. Aus dieser Verbindung war Ravel entstanden, sein Halbbruder und Sohn.
    Wann immer Ravel den älteren Zauberer mit »mein Bruder, mein Vater«, ansprach, wand sich dieser vor Ingrimm, was den jungen Zauberer beglückte. Denn Brack’thal konnte nichts gegen ihn tun. Aus einem Zweikampf würde Ravel siegreich hervorgehen, das wussten beide, und obwohl der Jüngere erst vor kurzem die Zauberschule der Drow, Sorcere, verlassen hatte, waren sein Spionagenetzwerk und die Zahl seiner Anhänger schon jetzt größer, als Brack’thal je geahnt hätte. Wie alle jüngeren Zauberkundigen des Hauses Xorlarrin bezeichnete sich Ravel nicht einmal als Zauberer, ebenso wenig wie es Oberinmutter Zeerith und die anderen taten. Wer wie Ravel heute die arkanen Kräfte beherrschte, trug im Hause Xorlarrin den Titel »Zauberspinner«, denn sie hatten sowohl das Material als auch die Silben für ihre Magie so gewählt, dass ihr Wirken mehr dem Tanz einer Spinne glich als dem Fingergewackel der Zauberer vor der berüchtigten Pest.
    Ein Blick nach rechts zeigte Ravel den Waffenmeister des Hauses. Jearth erinnerte ihn unübersehbar an seinen weit reichenden und nach wie vor wachsenden Einfluss. Er war Ravels engster Verbündeter, und obwohl das Haus Xorlarrin wegen seiner zahlreichen männlichen Zauberkundigen weithin berühmt war, galt Jearth Xorlarrin zu Recht als einer der fähigsten Waffenmeister von Menzoberranzan.
    Es schien, als hätte sich von Geburt an alles zu Ravels Gunsten entwickelt.
    Genau wie jetzt. Denn es war Ravel, der entdeckt hatte, was Gromph Baenre mit dem magischen Schädelstein anstellte. Er hatte es gewagt, den mächtigen Erzmagier von Menzoberranzan auszuspionieren – angesichts der führenden Stellung von Gromphs Familie in der Drow-Stadt ein beträchtliches Risiko – und die dem Stein innewohnende Magie zu erforschen. Darin hatte Ravel den körperlosen Geist entdeckt, einen Lich, und von dieser Kreatur hatte der Zauberspinner äußerst spannende Informationen erhalten.
    Offenbar hielt auch Oberinmutter Zeerith die Geschichte für interessant.
    »Seid gegrüßt, Oberinmutter«, sagte Ravel und schlug dabei nur andeutungsweise die Augen nieder. Hätte Zeerith einen Groll gegen ihn gehegt, so wäre dieser kühne Bruch der Etikette zweifellos mit der Schlangenpeitsche bestraft worden. »Ihr wünscht meine Anwesenheit?«
    »Ich habe sie gefordert«, korrigierte Oberinmutter Zeerith. »Wir haben festgestellt, dass die Umwälzung, von der die Oberfläche heimgesucht wurde, das Werk eines Urelementars war. Ein feuerspeiendes Wesen hat die Katastrophe ausgelöst.«
    Ravel hielt den Kopf gesenkt, doch er grinste von einem Ohr zum anderen. Das hatte er ihr verraten, nachdem er es von dem Lich im Schädelstein erfahren hatte.
    »Wir haben festgestellt, dass dieser Urelementar sich in Gauntlgrym aufhält, dem alten Reich Delzoun«, fuhr Zeerith fort.
    »Habt Ihr ihn gefunden?«, platzte Ravel vorschnell heraus. Erschrocken über sich selbst sog er die Luft ein und senkte wieder den Kopf. Er hatte die Empörung seiner zahlreichen,
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