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Charons Klaue

Charons Klaue

Titel: Charons Klaue
Autoren: R. A. Salvatore
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das Ziel der Xorlarrin-Expedition tatsächlich dem entsprach, was Gromph, Oberin Zeerith und Oberin Quenthel erwarteten, und die Katastrophe wirklich durch einen entfesselten Urelementar des Feuers ausgelöst worden war, wäre Andzrels aktueller Zorn gar nichts im Vergleich zu dem, was bei Tiagos Rückkehr zu erwarten war.
    Diesen Gedanken fand der alte Erzmagier überaus vielversprechend.

Teil 1
    Offene Rechnungen

Die Sonne über meinem zweiten Jahrhundert ist versunken, und doch habe ich das Gefühl, mich auf Treibsand zu bewegen. In so vieler Hinsicht bin ich meiner selbst genauso unsicher wie damals vor all den Jahren, als ich Menzoberranzan verließ. Es ist sogar eher noch schlimmer, denn damals gründete sich mein Gefühl auf einen ausgeprägten Sinn für Recht und Unrecht, ein klares Verständnis von Wahrheit und Lüge.
    Vielleicht beruhte meine damalige Sicherheit darauf, dass ich nur das Negative kennengelernt hatte. Als ich die Stadt Menzoberranzan durchschaute, wusste ich, was ich niemals hinnehmen konnte. Ich wusste, was in meinem Herzen und in meiner Seele tönern klang, und es verlangte mich nach einem besseren Leben, einem besseren Ziel. Dabei war mir noch gar nicht klar, was ich wollte, denn alle Möglichkeiten außerhalb des Kokons von Menzoberranzan lagen weit außerhalb meines Erfahrungshorizonts.
    Ich wusste jedoch, was ich nicht wollte und niemals akzeptieren konnte.
    Und so ließ ich mich auf meinem Weg vom Kompass meiner inneren Moral leiten, und die Freunde, die ich fand, schienen mich in diesen Überzeugungen nur zu bestärken. Sie waren nicht meinesgleichen, und doch glichen wir uns.
    Auf diese Weise habe ich mein Leben geführt, und ich glaube, es war ein gutes Leben, in dem meine Klingen sich der Rechtschaffenheit verschrieben hatten. Natürlich gab es Zeiten voller Zweifel, und ich habe immer wieder Fehler gemacht. Doch meine Freunde standen mir bei, führten mich auf den rechten Weg zurück, begleiteten mich, unterstützten mich und bestärkten mich in der Überzeugung, dass es eine Gemeinschaft gibt, die mehr umfasst als nur mich, hehrere und edlere Ziele als den schlichten Hedonismus, der dort, wo ich geboren bin, so verbreitet ist.
    Heute bin ich älter.
    Und wieder einmal zweifle ich.
    Denn ich fühle mich in Konflikten gefangen, die ich nicht verstehe, und beide Seiten scheinen gleichermaßen in die Irre zu laufen.
    Dies ist nicht Mithril-Halle, das seine Tore gegen plündernde Orks halten muss. Hier geht es nicht um die Garnison von Zehn-Städte, die eine Barbarenhorde aufhalten oder die Monster von Akar Kessell zurückwerfen soll. Zur Zeit steht ganz Faerûn in Flammen. Überall herrschen Dunkelheit und Verwirrung, und man hat das Gefühl, dass es keinen klaren Weg zum Sieg gibt. Die Welt hat sich verdüstert, und dunkle Orte bringen dunkle Herrscher hervor.
    Ich sehne mich nach der Schlichtheit im Eiswindtal.
    Denn hier unten, wo das Land dichter bevölkert ist, treffe ich in Luskan auf Verrat, Betrug und zügellose Gier. Dabei fürchte ich, dass es auf dem ganzen Kontinent Hunderte von »Luskans« gibt. Dem Durcheinander der Zauberpest und der tieferen, anhaltenderen Dunkelheit des Schattenreichs, der Rückkehr der Schatten und des Reiches Nesseril konnten die alten Strukturen der Gemeinschaft und der Gesellschaft nicht standhalten. Manche betrachten das Chaos als Feind, der geschlagen und gezähmt werden muss. Andere – das weiß ich seit frühester Jugend – sehen darin eher die Chance auf persönlichen Profit.
    Denn hier unten gibt es Hunderte kleiner Orte und Weiler, die auf die Garnisonstruppen der Städte angewiesen sind, die jetzt ausbleiben. Und wo ein tyrannischer König, Fürst oder Hochkapitän das Zepter schwingt, fallen die mächtigen Städte leider nur allzu oft über diese kleinen Gemeinden her.
    Denn hier unten gibt es das Reich der Orks, das die Horden von König Obould vor langer Zeit der Silbermarsch aufgezwungen haben. Noch jetzt, fast hundert Jahre nach jenem Krieg, bleibt es ein Versuch mit unklarem Ausgang. Hat König Bruenor mit seiner kühnen Unterschrift unter den Vertrag von Garumns Schlucht damals den Krieg beendet, oder hat er nur einen noch schlimmeren hinausgezögert?
    So etwas wird sich nie klären lassen, fürchte ich. Es bleibt auf ewig unsicheres Gebiet.
    Bis ich meine Säbel ziehe. Das ist die finstere Wahrheit dessen, zu dem ich geworden bin. Sobald ich meine Krummsäbel halte, steht der Kampf bevor, und das Ziel lautet: Überleben. Die
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