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Charons Klaue

Charons Klaue

Titel: Charons Klaue
Autoren: R. A. Salvatore
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Waffenmeister auf, nahm wieder die Feder zur Hand und wandte sich erneut seinem Pergament zu.
    Andzrels Stiefel schritten vernehmlich über den Steinboden, als er hereinkam. Gromph bemerkte seinen nachdrücklichen Auftritt. Offenbar hatte sein Handeln den Waffenmeister irritiert.
    »Haus Xorlarrin wird dreist«, stellte Andzrel fest.
    »Seid auch Ihr mir gegrüßt, Andzrel.« Gromph sah auf und bedachte den deutlich Jüngeren mit einem vernichtenden Blick.
    Der Mann atmete hörbar aus, um sich zu beruhigen, und reagierte damit auf den klaren Hinweis des Zauberers auf seine Stellung und deren Konsequenzen.
    »Eine größere Truppe zieht nach Westen«, meldete Andzrel.
    »Unzweifelhaft unter der ehrgeizigen Führung von Ravel.«
    »Wir glauben, dass Euer Schüler sie anführt, ja.«
    »Ehemaliger Schüler«, betonte Gromph.
    Andzrel nickte. Als Gromph ihn weiter anstarrte, schlug er die Augen nieder. »Oberin Quenthel ist besorgt«, sagte er leise.
    »Dabei kommt es nicht überraschend«, meinte Gromph. Er stemmte sich am Tisch hoch, stand auf und strich seine schwarzen, glänzenden Spinnenroben glatt, die mit Netzen und krabbelnden Spinnen aus Silberfäden bestickt waren. Dann umrundete er seinen Schreibtisch und trat an ein kleines Regal an der Seite.
    Sein Blick ruhte nicht auf Andzrel, sondern auf einem großen, schädelförmigen Kristall auf dem Regal, als der Erzmagier murmelte: »Der Fisch und der Köder.«
    »Fisch?«, fragte Andzrel nach der langen Pause, in der Gromph absichtlich keinerlei Anstalten machte, diese unerwartete Bemerkung zu erklären oder sich auch nur wieder umzudrehen.
    »Habt Ihr je Fische geangelt?«, fragte der Zauberer.
    »Ich jage lieber mit dem Speer«, antwortete der Krieger.
    »Natürlich.« Aus Gromphs Stimme sprach wenig Bewunderung. Immerhin drehte er sich um und musterte das Gesicht des Waffenmeisters. Er wusste, dass Andzrel vermutete, dass er ihn gerade beleidigt hatte. Er vermutete es, doch er wusste es nicht genau, denn trotz all seiner Gerissenheit – er war wirklich ein verschlagener Bursche – hatte dieser Mann nichts für geduldige Berechnung übrig, die dem Angeln zugrunde lag.
    »In einem normalen See schlängeln sich oft zehn verschiedene Fischarten durch die Dunkelheit«, sagte Gromph.
    »Und ich erwische sie alle mit dem Speer.«
    Gromph schnaubte und wandte sich wieder dem Schädelstein zu. »Ihr stoßt Euren Speer nach allem, was nahe genug an Euch heranschwimmt. Beim Angeln ist man wählerischer.« Er richtete sich auf und betrachtete den Waffenmeister. »Ihr seht zwar den Fisch, den Ihr aufspießen wollt, aber Ihr könnt Euch Eure Mahlzeit nicht so gezielt auswählen wie ein Angler.«
    »Wie kommt Ihr darauf?«, fragte Andzrel. »Weil ein Angler jeden Fisch zurückwirft, den er für unzureichend hält, während ich meine Beute bereits getötet habe, bevor ich sie aus dem Wasser ziehe?«
    »Weil der Angler sich vorher für eine bestimmte Art entscheidet«, stellte Gromph klar. »Mit der Wahl des Köders und der Platzierung, dem Haken und der Tiefe seiner Schnur. Fische haben bestimmte Vorlieben, und ein guter Angler nutzt dieses Wissen für die perfekte Falle.« Er sah erneut den Schädelstein an.
    »Ist es möglich, dass Erzmagier Gromph mit den Jahren immer kryptischer spricht?«
    »Man möchte es hoffen!«, erwiderte Gromph mit einem Blick nach hinten. Wieder sah er, dass der arme Andzrel von seiner Wortwahl überfordert war. »In Menzoberranzan zu leben gleicht häufig dem Dasein eines Anglers, meint Ihr nicht auch? Man muss die richtigen Köder kennen, mit denen man Gegner und Verbündete gleichermaßen lockt.«
    Als er sich diesmal Andzrel zuwandte, hielt er mit der einen Hand den Schädelstein auf Augenhöhe. In dem schädelförmigen Kristall tanzten die Reflektionen der zahlreichen Kerzen im Raum, deren Funkeln wiederum Gromphs Augen leuchten ließ.
    Dennoch kam es dem Waffenmeister so vor, als würde er in Hinsicht auf die Analogie des Erzmagiers im Dunkeln tappen, und das bestätigte Gromph, dass Tiago ihn nicht verraten hatte.
    Denn Andzrel wusste nicht, dass Ravel Xorlarrin in genau diesen Schädelstein geblickt und daraus das Wissen um die Beute bezogen hatte, der er und Haus Xorlarrin jetzt nachjagten. Andzrel hatte zudem keine Ahnung, dass Tiago das Eindringen des Zauberspinners in Gromphs Privatgemächer in Sorcere erleichtert hatte – extra für Jearth, den Waffenmeister von Haus Xorlarrin, der in der Kriegerhierarchie der Stadt Andzrels
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