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Angstfalle

Angstfalle

Titel: Angstfalle
Autoren: Elke Schwab
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    Es war schon dunkel, als Trixi mit ihrem Fahrrad nach Hause radelte. Im Friseursalon war viel los gewesen. Vom Tageslicht hatte sie nichts gesehen. In der Dunkelheit trat sie ihren Dienst an, in der Dunkelheit beendete sie ihn wieder. Es war Weihnachtszeit, eine Zeit, in der die Tage immer kürzer und die Nächte länger wurden, eine Zeit, in der Lichterketten und leuchtende Sterne die Fenster der Häuser zierten, sodass die Finsternis ein wenig erträglicher schien.
    Die kalte Luft tat ihr gut. Während ihr Blick auf die hell erleuchteten Häuser fiel, nahm sie sich vor, an diesem Abend ebenfalls die festliche Dekoration herauszusuchen und ihr Haus weihnachtlich zu schmücken. Seit sie allein in dem großen Elternhaus lebte, fiel es ihr von Jahr zu Jahr schwerer, diesen Ritualen treu zu bleiben. Aber sie wollte sich dazu aufraffen. Es half nichts, alles schleifen zu lassen.
    Den restlichen Weg zu dem großen Haus musste sie ihr Fahrrad schieben. Die Strecke war bergig und die Kondition, diesen Anstieg im Sattel zu bezwingen, hatte sie nicht.
    Sie überquerte eine kleine Holzbrücke, die über den Grumbach führte. Zu dieser Jahreszeit rauschte der kleine Bach wie ein Wasserfall. Durch die starken Regenfälle der letzten Wochen hatte sich viel Wasser angesammelt. Ob das vorsintflutliche Gebilde ihr Gewicht noch lange aushalten konnte? Sie erinnerte sich nicht, dass die Brücke einmal gewartet worden wäre.
    Die letzten Meter machten es ihr auch nicht leichter. Dort standen schon seit Jahren alte Autowracks und rosteten vor sich hin. Manchmal sah Trixi, dass sich jemand dorthin verirrte, als wolle er noch etwas Verwertbares finden.
    Als sie sich der Haustür näherte, sah sie auf dem Boden ein rotes Päckchen liegen.
    Sie stöhnte. Sollte das wieder ein Liebesbeweis ihres Lieferanten sein? Seit Monaten erhielt sie kleine Geschenke und Liebesbriefe. Kaum hatte Roland Berkes begonnen, für den Internationalen Paketdienst zu arbeiten, verfolgte er sie mit seinen Aufmerksamkeiten. Das musste ein Ende haben. Sie wollte nichts von diesem Mann und fühlte sich belästigt.
    Sie nahm das Päckchen und warf es ungeöffnet in den Mülleimer. Wütend stapfte sie ins Haus. Der lange, schmale Flur lag im Halbdunkeln, obwohl sie die Deckenlampe eingeschaltet hatte. Sie sollte eine stärkere Glühbirne benutzen, was sie immer wieder zu besorgen vergaß. Als sie in die Küche gehen wollte, sah sie, dass die Tür zur Abstellkammer einen kleinen Spalt offen stand. Wie war das möglich, fragte sie sich erschrocken. Sie hatte doch einen Riegel anbringen lassen, weil das Türschloss alt und abgenutzt war. Damit wollte sie verhindern, dass die Tür von selbst aufging, denn sie erschrak jedes Mal, wenn sie sich mit einem leisen Quietschen öffnete. Hatte sie den Riegel vorgeschoben, als sie das Haus verlassen hatte? Sie wusste es nicht mehr.
    Kaum hatte sie ihre Schuhe ausgezogen und neben der Garderobe abgestellt, klingelte das Telefon. Als sie abhob, erkannte sie Roland an seiner heiseren Stimme: »Hat es dir gefallen?«
    Es war das erste Mal, dass er anrief. Also wurde er dreister.
    »Ich will keine Geschenke von dir«, gab Trixi unfreundlich zurück. »Lass mich in Ruhe.«
    »Aber, ich wollte dir nur eine Freude machen. Es ist doch bald Weihnachten, das Fest der Liebe. Du kannst mir nicht verbieten, dir etwas zu schenken!«
    An diesen Worten erkannte Trixi, dass es schwierig würde, gegen seine Verliebtheit anzukämpfen. Er sah die Dinge einfach so, wie er sie sehen wollte.
    »Ich will nichts von dir und du bekommst nichts von mir, basta.« Wütend knallte sie den Hörer auf die Gabel.
    Auf dem Weg durch den Korridor ins Badezimmer, ließ sie nach und nach alle Kleidungsstücke auf den Boden fallen. Sie liebte es, chaotisch zu sein, ohne dass jemand sie zur Ordnung rief.
    Ein heißes Bad täte ihr gut. Sie fror immer noch.
    Als sie mit einem Buch in der Wanne lag und die Anspannung des Tages von ihr abfiel, hörte sie ein Poltern an der Haustür.
    Erschrocken horchte sie auf. Sie wusste, dass die Sicherheitsvorkehrungen in diesem Haus nicht die besten waren. Seit dem Tod ihrer Eltern hatte sie nichts mehr instand setzen lassen. Ihr fehlte das Geld dazu. Wieder polterte es im Flur. Nervös stieg sie aus der Wanne, trocknete sich ab und zog einen Morgenmantel an.
    Im Flur lag zwischen Glasscherben das kleine Päckchen, das sie vor kurzer Zeit noch in den Mülleimer geworfen hatte. Das war doch die Höhe, fluchte Trixi vor sich hin. Wie
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