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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 2 Der Begleiter

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 2 Der Begleiter

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 2 Der Begleiter
Autoren: Martin Clauß
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    Artur hatte wieder einmal seinem Gefühl die Entscheidung überlassen. Damit hatte er in seinem Leben bisher die besten Erfahrungen gemacht, auch wenn es oft bedeutete, andere Menschen vor den Kopf zu stoßen.
    Zwei Taxis hatten vor dem kleinen Bahnhof von Wolfach im Schwarzwald gewartet.
    Beide Fahrer saßen in ihren Wagen, hatten die Sitze ein wenig nach hinten gekippt und lasen die Zeitung. Wegen der Hitze hatten sie Türen und Schiebedächer geöffnet. Dem ersten Taxi entströmte der Geruch von neuem, zu neuem Leder.
    Der Fahrer im zweiten Wagen, ein junger Südländer mit lockigen schwarzen Haaren, nahm gerade einen tiefen Schluck aus einer Dose ColaTurka und schüttelte sich dabei. Sicher hatte die Temperatur des süßen Saftes den Punkt längst überschritten, bis zu dem man von einem „Erfrischungsgetränk“ sprechen konnte.
    Als Artur seinen schweren, ausgebeulten Koffer ratternd über den Vorplatz zog und sich dem vorderen der beiden Taxis näherte, schlug der Fahrer des hinteren Wagens auf die Hupe. Kurz und schwungvoll tat er es, wie man eine orientalische Trommel anschlägt.
    Der Mann im ersten Taxi ließ daraufhin seine Lektüre sinken. Artur konnte beobachten, wie er die Zeitung ohne Hektik zusammenfaltete und sie mit einer umständlichen Bewegung zwischen den Sitzen hindurch auf die Rückbank legte. Er tat es behutsam, als wären die Seiten aus hauchzartem Glas. Dann hievte er sich aus seinem Wagen, klopfte ein Stäubchen von der Karosserie, erreichte den Kofferraum und öffnete ihn.
    Die ganze Zeit über hatte er seinen Fahrgast nicht ein einziges Mal angesehen.
    Auch jetzt, als Artur sich ihm näherte, pendelte sein Blick zwischen der penibel sauberen Innenseite des Kofferraums und dem einzigen Gepäckstück des Kunden. Es war möglich, dass er darauf nach Schmutz spähte. Schmutz, den er entfernen würde, ehe er den Koffer seinem Wagen einverleibte.
    Der Taxifahrer war ein kleiner Mann um die Sechzig, von hagerer Statur, aber mit einem weit herausragenden Schmerbauch. Wie er es schaffte, makellos saubere Kleidung zu tragen und dennoch schmutzig auszusehen, blieb Artur ein Rätsel.
    „Wo soll’s denn hingehen?“, erkundigte sich der Fahrer und streckte die sehnigen Hände nach dem Griff des Koffers aus. Artur hielt noch immer den dunkelgrauen Stoffriemen fest, an dem er das Gepäckstück gezogen hatte – in Gedanken versunken.
    „Falkengrund“, antwortete er. Seine Stimme war leise, zurückhaltend.
    Der Fahrer winkelte das rechte Bein an und wuchtete den Koffer zuerst auf sein Knie, wohl, um ihn anschließend von dort aus mit einem zweiten Ruck in den Kofferraum zu stemmen.
    Doch dazu kam es nicht mehr.
    „Was wollen Sie denn bei den Verrückten?“, fragte der Fahrer, ehe er diese Kraftanstrengung unternahm. „Haben Sie etwa vor, dort einzuziehen? Oder wollen Sie jemandem einen Krankenbesuch abstatten?“
    „Bitte?“
    Der Fahrer stieß die Luft aus. „Hören Sie – Sie wissen doch bestimmt über das alte Jagdschloss Bescheid. Dass dort ein Haufen Irrer haust. Oder hat man Ihnen das nicht erzählt?“
    Artur zögerte einen Moment.
    „Doch“, log er dann. „Hat man.“
    Und er riss an dem Riemen, den er noch immer in der Hand hielt. Der Koffer rutschte vom Knie des Fahrers herab, dieser fasste hastig nach und verhinderte gerade noch, dass das Gepäckstück hart auf den Boden schlug.
    „Haben Sie vielen Dank für Ihre Mühe“, meinte Artur. Er ließ den Mann einfach stehen, zog an seinem Koffer und steuerte das zweite Taxi an, das in zwei, drei Metern Abstand dahinter parkte, nicht ganz parallel zum Bordstein. Der Fahrer, der die Zeitung weggelegt und alles mit angesehen hatte, stieg verwirrt aus dem Wagen.
    „Bringen Sie mich nach Falkengrund?“, fragte Artur. Seine Stimme war jetzt lauter als zuvor. Es fiel ihm selbst auf.
    In seinem Kopf arbeitete es bereits. Er dachte darüber nach, wie es wohl sein würde, den Weg zum Zielort seiner Reise zu Fuß zurückzulegen. Acht Kilometer auf den Straßen, weniger vielleicht, wenn man den Weg durch die Wälder einschlug. Keine Entfernung, die ein junger, kräftiger Mann nicht zurücklegen konnte, aber in diesem bergigen Gelände, mit dem schweren Koffer im Schlepptau würde es eine Strapaze werden.
    „Sicher“, antwortete der Fahrer mit unüberhörbarem Akzent. „Aber mein Kollege ...“
    „Fahren Sie mich, oder fahren Sie mich nicht?“
    Der Mann zuckte die Schultern. „Okay ... okay.“
    Artur hörte den Fahrer des ersten Taxis
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