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Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Titel: Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach
Autoren: Mario Levi
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schaute mich an, und ich lächelte wieder und nickte. Ohne auch nur ein Wort zu sagen, räumte er zusammen. Wer weiß, was er empfand. Wahrscheinlich zweifelte er nun endgültig nicht mehr daran, daß ich ein bißchen komisch sei … Als er sich entfernte, stimmte er ganz leise ein Volkslied an. Obwohl ich die Worte des Volkslieds nicht verstand, berührte es mich doch tief drinnen … Was war es, das mich berührte? Wer war es? … Ich saß noch immer auf der Bank. Ich war ganz allein … In welche Erzählung war Şebnem nun gegangen? … Ich steckte meine Hand in die Tasche, schloß die Faust um den Ohrring und drückte ihn, drückte, drückte … Dann stand ich auf und warf ihn mit aller Kraft ins Meer … In dem Moment war mir, als hörte ich einen Schuß. Einen Schuß, der dem Schuß in jenem alten Traum sehr ähnlich war und den, wie ich wußte, niemand hören konnte … Jener Ohrring gehörte nun nicht mehr mir, sondern uns allen … Er gehörte dieser Stadt, dieser Geschichte, dieser Gefühlswelt … Gab es denn so eine Heimat? … Die gab es. Mit so einer Geschichte und solch einer Erzählung war sie es geworden, und zwar eine, die zu Herzen ging … Ich war nun ein wenig freier. So wie Şebnem, ein wenig freier … Hätte sie gesehen, was ich getan hatte, ich bin sicher, sie hätte mich noch lieber gehabt. War es wohl möglich, daß sie zu unserem Treffen in zwei Jahren kam? … Wer weiß … Hieß es denn nicht, glaube nie an einen Mord, ehe du die Leiche nicht gesehen hast? … Doch war es uns denn möglich, keinen Mord zu sehen? … Genau hier war ein kleiner Zweifel angebracht … Şebnem kam wahrscheinlich nicht wieder … Es war sowieso nicht mehr wichtig, ob sie nun kam oder nicht. Sie hatte uns alles erzählt, was sie erzählen konnte … Für unsere Proteste und unsere Träume … Ich werde nun nie mehr sagen, daß die eigentliche Wirklichkeit in unseren Träumen liegt …
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