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Wir schaffen es gemeinsam

Wir schaffen es gemeinsam

Titel: Wir schaffen es gemeinsam
Autoren: Berte Bratt
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anlegen soll. Seit zwei Monaten hat sie den Entwurf zu dem Titelblatt bei sich liegen; es wird wirklich mal Zeit, daß sie sich entschließt.“
    Wir steckten eine Kerze an, und ich warf Yvonne von der Seite einen Blick zu.
    „Du! Komm mal eben her!“
    „Was soll ich denn?“ Ich antwortete nichts. Schüttelte statt dessen meinen Handarbeitsbeutel aus. Außer dem Strickzeug kullerten drei Apfelsinen heraus, zwei belegte Brote, ein kaltes Kotelett und eine Handvoll kleiner Kuchen.
    „Wibke!“
    „Pscht! Hast du nicht gesehen? Ich hab doch abdecken helfen. Ich war ganz bestimmt allein in der Küche. Du brauchst keine Sorge zu haben. Liebe, gute Yvonne, lach doch mal!“
    Über Yvonnes Gesicht zuckten alle möglichen Ansätze zu einer Reaktion – zunächst stand Entrüstung darauf zu lesen –, das Ende war ein unbeherrschtes Gelächter.
    „Man kann nun sagen, was man will“, erklärte ich mit Nachdruck, „aber diese wahnsinnig ulkige Künstleratmosphäre hat doch einen gewissen Reiz! – Paß auf, Yvonne, das Licht blakt!“

Auf Regen folgt Sonnenschein
     
     
    „Tja“, sagte Doktor Steneng und runzelte die Stirn. „Sie müßten sich noch einige Tage Ruhe gönnen. Aber es verheilt jetzt blendend. Es war die garstigste Blutvergiftung, die mir vorgekommen ist.“
    Na, na, allzuviel wirst du noch nicht gesehen haben, du Grünschnabel, dachte ich. Dr. Steneng sah aus, als habe er eben erst das Examen hinter sich.
    „Aber, wie gesagt, Sie wissen, es ist besser, etwas zu vorsichtig zu sein…“
    Da hatte ich die Nase voll. Nach meiner eigenen Meinung hatte ich eine unwahrscheinliche, eine engelhafte Geduld an den Tag gelegt und noch dazu eine ganze Ewigkeit lang. Und dann mußte man sich das sagen lassen – man solle vorsichtig sein, obendrein mit einer soeben angenommenen, überlegenen Arztmiene!
    „Weiß der Himmel, Sie haben gut reden“, entfuhr es mir. „Denken Sie, ich hab nichts anderes zu tun, als rumzurennen, eine Hand in der Binde, und mich interessant zu machen? Denken Sie, ich lebe davon, daß ich Ihre Patientin bin? Ich muß arbeiten, jawohl – ich kann nicht rumlaufen und vorsichtig sein – so sicherheitshalber!“
    Der Arzt sah mich voll an, sehr ruhig.
    „Ich muß Sie mißverstanden haben“, sagte er kühl. „Ich hatte gedacht, Sie befragten mich als Arzt. Von mir bekommen Sie ärztliche Anweisungen. Ich wußte nicht, daß Sie den Privatmenschen in mir angeredet haben. Aber wenn dem so ist, dann sage ich natürlich etwas ganz anderes. Da sage ich, daß Sie mir herzlich leid tun mit dieser Geschichte, und ich werde der erste sein, Sie zu verstehen, wenn Sie zu früh anfangen zu arbeiten. Ich hätte Ihnen übrigens als Mensch eine Menge zu sagen – aber ich bin mir durchaus nicht sicher, daß Sie Wert darauf legen, wenn ich menschlich offen bin. Sie sind zu mir gekommen, weil ich Arzt bin, und ich habe keinesfalls die Absicht, die Rolle des freundlich herablassenden Seelsorgers vor Ihnen zu spielen. Jedenfalls nicht unaufgefordert.“
    Ich fühlte, daß ich knallrot wurde. Der Mann hatte ja tausendfach recht.
    „Ich meinte ja nur, daß – ja, ich bin es gewöhnt, daß ein Arzt auch ein bißchen menschlich ist und versucht, auf die Lage Rücksicht zu nehmen, in der sich der Patient befindet…“
    Jetzt lächelte Dr. Steneng. Komischerweise machte sein Gesicht einen viel erwachseneren und auch sympathischeren Eindruck, wenn er lächelte.
    „Ja freilich. Man soll natürlich nicht nur Arzt sein. Man darf nicht zu einem Lungenkranken, der von der Fürsorge unterstützt wird, sagen, er müsse viel Eier und Milch zu sich nehmen und frische Luft und in ein Hochgebirgssanatorium gehen, danke, das wären dann vierzig Kronen. Aber auf der anderen Seite, sehen Sie – nun ja, ich kann es Ihnen ja jetzt erzählen, da wir schon mal davon angefangen haben –, ich war selber als ganz junger Kerl bei einem solchen Opapa von Doktor, der mir Eisenpillen verschreiben sollte. Und das war so der Typ von Seelsorger, wissen Sie. Der forschte und fragte und war höchst indiskret und mischte sich in lauter Dinge, die nicht das geringste mit meiner Bleichsucht zu tun hatten. Und als ich nun selber Arzt wurde, schwor ich mir, nie meine Patienten damit zu plagen, daß ich als Mensch auftrete. Lediglich als Arzt, ganz kühl und geschäftsmäßig, verstehen Sie? Aber vielleicht gehe ich zu weit. Es mag sein, daß Sie da recht haben.“
    Mein Respekt vor dem „Grünschnabel“ stieg mit der Geschwindigkeit eines
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