Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir schaffen es gemeinsam

Wir schaffen es gemeinsam

Titel: Wir schaffen es gemeinsam
Autoren: Berte Bratt
Vom Netzwerk:
ziemlich ungelegen, da sie gerade dabei war, wieder zu heiraten.
    Und nun begann ihr eigener Weg, welcher der vorher etwas rundlichen Yvonne eine beneidenswerte Schlankheit verschaffte, eine interessante Blässe und ein paar große, brennende Augen. Und sie in allerkürzester Zeit erwachsen und erfahren machte.
    So gelang es ihr doch, in Paris eine ganze Menge zu lernen. Es gelang ihr sogar, Geld zu verdienen. Es gelang ihr, sich das Geld für eine Fahrkarte nach Rom zu sparen. Und als sie vier Jahre später in die Heimat zurückkehrte, brachte sie eine Kiste mit Bildern mit und ausgezeichnete Kenntnisse im Französischen und Italienischen.
    Daß das väterliche Haus ihr verschlossen sein würde, hatte sie erwartet. Sie wohnte kurze Zeit in einer drittklassigen Pension. Dann stöberte sie ein Atelier auf. Es lag in einem uralten Haus, das so aussah, als sei es damals aus Versehen stehengelassen worden, als alle Häuser ringsum abgerissen wurden. Die Miete war erstaunlich gering, und Yvonne zog ein. Erst später entdeckte sie den Grund für den niedrigen Mietpreis: Es zog überall niederträchtig, und wenn man warm sitzen wollte, mußte man waggonweise Feuerung in den alten Ofen schaufeln. Aber das Licht war vortrefflich. So fand sich Yvonne denn tapfer mit den Nachteilen ab. Sie malte, stellte die Bilder aus, verkaufte auch hier und da mal eines. Die Kritiker verschwendeten nicht allzu viele Worte an sie, aber was sie schrieben, war liebenswürdig. Sie bekam Mut und kaufte sich ein paar Möbelstücke für das große Atelier.
    Nach einiger Zeit wurde sie von einer Privatschule als Zeichenlehrerin angestellt – für sechs Stunden wöchentlich. Nichts zum Fettwerden, aber immerhin fast genug für die Miete.
    So stand es zu jener Zeit um Yvonne – als wir bei Kaffee und Kuchen über unsere Existenzmöglichkeiten diskutierten.
    „Ich könnte mir vorstellen, daß ich es schaffe“, sagte ich. „Ich bin gesund und kräftig, nicht dümmer als der Durchschnitt. Man müßte doch auf ehrliche Art und Weise monatlich siebenhundert Kronen zusammenkriegen können?“
    „Aber womit?“ erkundigte sich Margrethe. „Was kannst du eigentlich, Wibke?“ Ja, was konnte ich eigentlich?
    „Stricken“, schlug ich vor.
    „Das kann jeder Mensch. Und außerdem kann ich dir sagen, wenn es etwas auf der Welt gibt, wovon man nicht leben kann, dann ist es Handarbeit!“
    „Ich habe eine glückliche Hand mit Blumen!“
    „Ja, das hast du! Aber wie könntest du damit Geld verdienen? Du hast keine Gärtnerausbildung. Du bist ein Genie wenn es darum geht, trockne Kaktusstrunke zum Blühen zu bringen, und du weißt genau, wann welche Pflanzen welchen Dünger brauchen. Aber wie in aller Welt willst du davon leben?“
    „Ich weiß es!“ rief Gertie. „Du könntest von Haus zu Haus gehen, mit einem Eimer voll Erde in der einen Hand und einer Miniharke in der anderen und die Hausfrauen fragen, ob du ihre Kaktusse – ich meine teen – umpflanzen sollst!“
    „Großartige Idee!“ meinte Liese. „Fünfzig Öre per Topfpflanze, ausnahmsweise siebzig wenn sie groß sind, mit besonders widerlichen Pieksern – vierzig Töpfe pro Tag ergeben 20 Kronen – dazu zehn von den Großen…“, sie kritzelte auf die Papierserviette und rechnete, „sechsundzwanzig Werktage im Monat… Mensch, ich komme auf 780 Kronen im Monat!“
    „Ja, auf der Papierserviette“ sagte Nini. „Hört nun mit dem Blödsinn auf, wir können froh sein, daß wir solche Experimente nicht zu machen brauchen. Wir haben es gut, so, wie es jetzt ist!“
    Nini hatte gut reden. Sie wohnte zu Hause bei ihren wohlhabenden Eltern und studierte Fremdsprachen. Gertie war gerade aus dem Ausland zurück und wollte jetzt die Handelsschule besuchen, Liese machte ihrem Vater den Haushalt, und Margrethe wollte nächstes Jahr in die Krankenpflege.
    Und ich? -Ja, ich mußte zu meiner Schande gestehen, daß ich nichts anderes tat, als Pullover zu stricken, Tante Beates Zimmerpflanzen zu versorgen, Fisch für Kater Kille zu kochen (Tante Beates heißgeliebter Ersatz für die Kinder, die sie hätte haben müssen, die das Schicksal ihr aber versagt hatte) und gemütlich mit Onkel Mathias zu plaudern, wenn er abends zu Hause war.
    Kurz und gut, ich führte ein unwürdiges, verweichlichtes Dasein, das alle Tatkraft und Unternehmungslust, die vielleicht in mir vorhanden waren, ganz und gar untergrub.
    Aber später habe ich oft an diese Diskussion in unserem Mädchenklub gedacht. Wenn ich damals
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher