Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir schaffen es gemeinsam

Wir schaffen es gemeinsam

Titel: Wir schaffen es gemeinsam
Autoren: Berte Bratt
Vom Netzwerk:
leerte sein Glas bis auf die Neige.
    Aber da entschlüpfte es mir, ohne daß ich darüber nachdachte: „Warum hast du sie denn nicht mehr auf dem Nachttisch stehen?“
    Da lächelte Ivar so schalkhaft, wie ich es ihm nie zugetraut hätte.
    „Aha!“ sagte er gedehnt. „Es ist dir also nicht entgangen, daß sie auf dem Nachttisch gestanden hat! Du bist also in gewisser Hinsicht ein ganz durchschnittliches kleines Weib, Wibke! Die weibliche Neugierde, weißt du – komm mal mit, dann werde ich dir zeigen wieso!“
    Er legte seinen Arm um meine Schultern, schob mich auf die Schlafzimmertür zu, machte sie auf.
    Auf dem Nachttisch stand ein anderes Bild. Eine winzig kleine Amateurfotografie. Ich mußte ganz nahe herangehen, um sie erkennen zu können. Auf der Fotografie war ich selber abgebildet, auf unserer Verandatreppe mit Kille auf dem Arm.
    „Ja, es stimmt“, lachte Ivar. „Ich habe sie gestohlen. Und du kriegst sie nicht zurück.“
    Und auf einmal hatte er seine Arme ganz, ganz fest um mich geschlungen, und als er mich küßte, meinte ich, das Herz sollte mir vor Glück zerspringen.
    Er führte mich vor den Kamin und sprach leise und ruhig. Die ganze Zeit fühlte ich den festen Arm um meine Schultern.
    „Du sollst mir nichts versprechen, Wibke. Ich werde dich nichts fragen und dich um nichts bitten. Jetzt fährst du erst einmal nach Paris, du sollst frei und heiter sein und dich in keiner Weise gebunden fühlen. Lernst du nette Menschen kennen, dann vergnüge dich mit ihnen, benimm dich so, wie du es getan hättest, bevor wir uns kannten… so kannten, wie wir uns jetzt kennen. Wenn du mir ab und zu ein paar Zeilen schreibst, machst du mir damit eine sehr große Freude… das weißt du hoffentlich. Und wenn du zurückkommst, werde ich auf der Landungsbrücke stehen. Ich gönne dir diese Reise von ganzem Herzen, Wibke, aber ich müßte lügen, wollte ich behaupten, daß ich mich nicht darauf freue, dich wieder hier zu haben!“
    „Ich habe jetzt keine Lust mehr zu fahren“, flüsterte ich.
    „Doch, das hast du. Gerade jetzt sollst du fahren. Vielleicht wirst du hin und wieder an mich denken, wenn du oben auf dem Eiffelturm stehst oder wenn due im Park von Versailles spazierengehst oder…“
    „Ja, immer. Jeden, jeden Tag!“ sagte ich.
    „Ich werde auch an dich denken. Gibt es was Schöneres als sich wieder zu treffen, wennn man eine Zeitlang getrennt war, und die ganze Zeit aneinander gedacht hat?“
    „Du scheinst Erfahrung zu haben“, lächelte ich. „Empfindest du es so, wenn du Synnöve triffst?“
    Jetzt wurde Ivars Gesicht ganz ernst. „Das ist etwas anderes. Synnöve habe ich gern. Sehr gern. Aber dich…“
    „Aber mich… was ist es mit mir?“
    „Ach, nichts. Das sage ich dir ein andermal.“

„Aber dich.!“
     
     
    Yvonne und ich hatten das Kränzchen bei uns. Wir waren an der Reihe, und gleichzeitig war es eine Abschiedsfeier.
    Unsere „Quasselwerkzeuge“ (wie Yvonne sagt) liefen auf Hochtouren. Jede erzählte von sich. Dann fragten sie uns kurz und klein und beneideten uns ungehemmt um unsere Reise.
    „Kinder!“ sagte plötzlich Margrethe. „Wißt ihr noch damals im Winter, als wir bei Gertie waren, und wir uns darüber zankten, ob man sich ohne eine feste Arbeit und ohne eine besondere Ausbildung selbst versorgen könnte?“ Doch. Sie nickten und erinnerten sich.
    „Wir haben uns gar nicht einigen können. Aber jetzt wissen wir es. Denn jetzt hat Wibke es ausprobiert. Es ist also möglich, Wibke?“
    „Ja“, sagte ich. „Es ist möglich. Wir sprachen davon, daß man siebenhundert Kronen im Monat braucht, um leben zu können. Gut, ich habe gerade meine Einnahmen zusammengezählt. Durchschnittlich habe ich pro Monat siebenhundertvierundachtzig geschafft. Netto!“
    „Aber dann hast du auch viel Glück gehabt“, meinte Liese.
    Da wurde Yvonne plötzlich eifrig.
    „Nein!“ sagte sie. „Es war kein Glück, es waren Ideen und Mut und Fleiß! Wibke hat auch Pech gehabt. Im Frühjahr war sie beinahe einen Monat krank. Aber eines möchte ich sagen, und ihr vier dürft es gern mit anhören, obwohl es wohl eigentlich nur Wibke und mich angeht: Sie ist ein prachtvoller Kamerad, und tapfer und unsentimental im Kampf ums Dasein. Nie hat sie über Müdigkeit geklagt, nie hat sie den Mut verloren. Schließlich ist das der Grund, warum sie es geschafft hat. Prost mit Zitronentee, Wibke, und danke für diese Zeit, die wir zusammen erlebt haben!“
    Mir blieb die Sprache weg, und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher