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Der Sternenkavalier

Titel: Der Sternenkavalier
Autoren: Gerhard Branstner
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Ein Stern zuviel
     Die Sterne sind die gehorsamsten Kinder der Welt. Die finstere Majestät des unendlicher Raumes gebietet Stille, und die Sterne gehorchen. Sie blinzeln einander zu, doch sie schweigen. Sie laufen im Kreise herum und stehen doch, blickt man, um sie zu ertappen, unverhofft hin, wie gebannt an der befohlenen Stelle. Die Sterne sind die gehorsamsten Kinder der Welt.
    „Teufel noch eins“, rief As Nap, „wie wir’s auch drehn und wenden, einer bleibt übrig!“
    „Du sollst nicht fluchen“, sagte Eto Schik.
    „Trotzdem bleibt einer übrig“, beharrte As, „irgendwo muß uns ein Fehler unterlaufen sein.“
    „Möglich“, meinte Eto, denn er hielt grundsätzlich alles für möglich, also sogar, sich geirrt zu haben, „möglich ist aber auch, daß wir uns nicht geirrt haben und der Stern übrigbleiben muß.“
    „Und weshalb?“ fragte As.
    „Aus ästhetischen Gründen“, erklärte Eto.
    As Nap kraulte sich hinterm Ohr. Er war ein praktischer Mensch. Wenn es ästhetisch wurde, kam er in Schwierigkeiten, und wenn er in Schwierigkeiten kam, kraulte er sich hinterm Ohr. Als Assistent Eto Schiks hatte As Nap häufig Ursache, sich hinterm Ohr zu kraulen.
    Eto und As waren gebürtige Geomanen, und wäre es nach As gegangen, hätten sie die gute alte Geo auch niemals verlassen. Doch Eto Schik wollte höher hinaus. Er war von der Idee besessen, die natürliche Ordnung der Dinge in eine ästhetische zu verwandeln. Und da ihm das auf der Geo verwehrt worden war, hatte er sich entschlossen, den Heimatplaneten zu verlassen und es in einer anderen Welt zu versuchen. Wenn As Nap auch lieber auf der Geo geblieben wäre, so war es ihm doch niemals in den Sinn gekommen, sich von seinem Meister zu trennen und ihn allein ziehen zu lassen. Und auch Eto hatte niemals daran gezweifelt, daß sein Assistent ihm folgen würde, obwohl beide ein recht ungleiches Paar abgaben. Nicht nur, daß Eto lang, dünn und schwarzhaarig, As hingegen kurz, dick und semmelblond war, vor allem unterschieden sie sich in ihrer Natur. Oder gibt es einen größeren Unterschied als den zwischen einer praktischen und einer ästhetischen Natur? Obwohl die beiden also ein sehr ungleiches Paar waren, zogen sie gemeinsam aus, um in einer anderen Welt das zu tun, was ihnen in der eigenen versagt war.
    Eto Schik hatte, sobald sein Entschluß, die Geo zu verlassen, feststand, ohne ein weiteres Wort sein Kavaliersstöckchen ergriffen, es einige Male unternehmungslustig herumgewirbelt und die bereitstehende Rakete bestiegen; und As Nap hatte hastig seinen Rechenautomaten in den Rucksack gestopft, ihn aufgehockt und sich dem Meister zugesellt.
    Eto wollte den ersten Versuch, die natürliche Ordnung der Dinge in eine ästhetische zu verwandeln, vorsichtshalber in einer unbewohnten Gegend unternehmen. Als sie eine geeignet erscheinende erreicht hatten, suchte Eto ein Himmelsquadrat aus, das alle Arten von Sternen, nämlich Sonnen, Planeten und Monde, enthielt, parkte die Rakete an der unteren rechten Ecke des Quadrats und begann sogleich, ein allen ästhetischen Regeln entsprechendes Sternenbild zu entwerfen. Sobald er den Entwurf, der einem Teppichmuster ähnelte, vollendet hatte, übergab er ihn As Nap, der ihn in Daten auflöste und diese in den Rechenautomaten gab. Eto stieg derweilen durch die Dachluke auf die Rakete, schritt mit seinen langen Beinen ungeduldig auf und ab und wirbelte sein Kavaliersstöckchen herum. Mit diesem Stöckchen aber hat es seine besondere Bewandtnis. Sein Knauf enthält nämlich einen Katalysator, vermittels dessen der Besitzer des Stöckchens sich alle Kräfte der Natur dienstbar machen kann. Allerdings muß die am Stock befindliche Zahlenskala zuvor in eine bestimmte Konstellation gebracht werden; und den Schlüssel dazu ermittelt Naps Rechenautomat.

    Der Automat ruckte und zuckte, sobald As ihm die Daten eingegeben hatte, daß er einem leid tun konnte. Eine solch himmelsverändernde Aufgabe hatte er in seinem Leben noch nicht zu lösen gehabt. Endlich spuckte er aber den Schlüssel aus. As Nap stieg die Leiter nach oben, steckte den Kopf aus der Dachluke und übergab Eto den Schlüssel. Der Großmeister warf nur einen Blick darauf, und schon hatte er die Zahlentastatur an seinem Stöckchen eingestellt. Jetzt drückte er auf den am Knauf befindlichen Auslöseknopf, der Katalysator ließ ein angenehm anzuhörendes Summen vernehmen, und Eto Schik erhob das Stöckchen wie der Orchesterleiter seinen Taktstock. As
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