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Wind Der Zeiten

Wind Der Zeiten

Titel: Wind Der Zeiten
Autoren: Jeanine Krock
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vor.
    Wo sich einst die Männer in der Schmiede zum Umtrunk versammelt hatten, stand nun ein Pub im Stil englischer Tudor-Gasthäuser. Es wirkte zwischen seinen schottischen Nachbarn ein wenig wie die aufgetakelte Cousine aus dem reichen Süden. Vor jedem Fenster hingen überquellende Blumenkästen, die Auffahrt war mit frisch geharktem Kies bestreut, und der Parkplatz verbarg sich hinter einer dichten Hecke. Offenbar sollte kein Auto den Blick auf das Kleinod stören. Hinter dem Haus entdeckten wir einen Biergarten, in dem Ausflügler und Wanderer saßen, um den warmen Nachmittag zu genießen.
    Verwundert schauten sie hinter uns her, nicht nur einer zückte seine Kamera.
    »Die halten uns für ein paar spleenige schottische Historiendarsteller«, lachte ich. »Vielleicht sollten wir Geld für die Fotos nehmen, dann könnten wir hier einkehren.«
    Auf der anderen Seite zogen sich Rasenflächen bis zum See hinab. Irgendwo brummte ein Rasenmäher. Die Häuser waren durch niedrige Hecken oder Blumenbeete voneinander getrennt und wirkten, als hätten sie sich für unsere Ankunft
ebenso herausgeputzt wie das Pub in ihrer Mitte. Einmaster pflügten mit geblähtem Segel weiter draußen durch die Wellen des Loch Cuilinn . Die daheimgebliebenen Boote zerrten aufgeregt an den Tauen, und das helle Klappern der Leinen an ihren Masten schien die Besitzer aufzufordern, selbst Brise und Sonnenschein für eine Segelpartie zu nutzen.
    Bald lag das Dorf hinter uns, und der Aufstieg zum Castle begann. Glücklicherweise befand sich neben der asphaltierten Straße ein Wanderweg, den wir nun hinaufritten.
    »Hey, hier ist nur für Fußgänger!«, rief uns ein Mann mit dem typischen regionalen Dialekt zu, der gerade die kleine Brücke inspizierte, die, wie ich wusste, mindestens schon dreihundert Jahre hier stand.
    Ohne nachzudenken, rief ich auf Gälisch zurück: »Guter Mann, wer will denn den Pferden diesen steinernen Weg dort drüben zumuten?«
    Er starrte uns mit offenem Mund hinterher. »Gälisch wird hier fast nicht mehr gesprochen«, warnte mich Alan.
    Wenig später passierten wir das Torhaus, das leider in einem bedauernswerten Zustand war, und folgten der Straße hinauf zum Herrenhaus. Als wir aus dem Wald kamen, beeindruckte mich sein Anblick wie beim allerersten Mal. Es sah nicht anders aus als heute Morgen.
    Beim Näherkommen fielen mir dann aber doch kleine Änderungen auf, sie waren allerdings so subtil, dass ich sie erst auf den zweiten Blick bemerkte. Der Turm schien kürzlich renoviert worden zu sein, und die Steine des Renaissancetrakts in der Mitte waren deutlich heller, als ich sie in Erinnerung hatte. Augenscheinlich waren sie in den letzten Jahren gereinigt worden.

    Als wir das Haus erreichten, trat uns ein tadellos gekleideter Gentleman in moderner Highlandertracht, einschließlich des kleinen Messers im Strumpf, entgegen. Er kam mir verkleidet und irgendwie geckenhaft vor.
    »Willkommen zu Hause, Madam, Sir.« Mit kaum mehr als einem Wimpernschlag nahm er unsere ungewöhnliche Garderobe zur Kenntnis. Zu so etwas war nur ein echter Butler fähig.
    Doch halt, man hatte uns erwartet? »Hier muss eine Verwechslung vorliegen.« Nun hatte ich ihn doch irritiert. Kein Wunder, meine Stimme hatte sich nie mehr völlig von dem Angriff erholt und klang sehr rau, außerdem sprach ich ein Englisch des achtzehnten Jahrhunderts.
    Ehe ich mehr sagen konnte, war Alan abgestiegen und übergab seine Zügel einem herbeigeeilten Jungen, bevor er mir vom Pferd half. Der Bengel schaute mich neugierig an, und ich schwor insgeheim: Wenn der auch eine Bemerkung über meine Beine macht, dann kriegt er eine geklebt! Irgendetwas in meinem Blick musste diese Gedanken verraten haben, denn er verschwand rasch mit unseren Pferden um den Turm herum. Offenbar lagen die Ställe noch immer hinter dem Haus. Ob sie die Küche erhalten hatten, fragte ich mich und wäre am liebsten gleich hinterhergelaufen, um nachzusehen.
    Alan gab derweil den Aristokraten, nahm mich bei der Hand, und wortlos folgten wir dem Butler die ausgetretenen Stufen hinauf ins Neue Haus . Gestern noch waren sie ebenmäßig und blankpoliert gewesen, dem Löwen auf der Balustrade fehlte nun eine Pfote – deutliche Zeichen dafür, dass diese Treppe mehr als nur ein paar Jahre lang von zahllosen MacCoinnaichs und ihren Gästen benutzt worden war.
    Als wir das Vestibül betraten, drückte er meine Finger ganz
fest und flüsterte: »Was für ein Abenteuer! Keine Angst, Kleines ich bin
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