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Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten

Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten

Titel: Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten
Autoren: Dorothy L. Sayers
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hell, so übergießt es seine Berge und Seen mit leuchtenden Farben; der Regen, der ihn vom Bildermalen abhält, füllt Bäche und Schleusen mit Wasser und schickt ihn hoffnungsvoll mit Rute und Reuse ins Revier; an kalten Tagen aber, wenn weder Purpur auf den Bergen liegt noch Fliegen überm Wasser schweben, geht er in eine gemütliche Kneipe, um mit Gleichgesinnten Informationen über Purpurrots und Märzfliegen zu tauschen oder sich in der hohen Kunst des Seidendarmknüpfens zu üben.
    Künstlerischer Mittelpunkt von Galloway ist Kirkcudbright; dort formen die Künstler ein weitgestreutes Sternbild mit Kern in der High Street, dieweil die äußeren Sterne in abgelegenen Berghütten flimmern und ihr Licht bis nach Gatehouse-of-Fleet ausstrahlen. Da gibt es große, imposante Ateliers mit hohen, getäfelten Wänden in festen Steinhäusern voll blitzendem Messing und poliertem Eichenholz. Da gibt es Alltagsstudios – mehr sommerliche Hochsitze als feste Behausungen –, wo das ganze künstlerische Inventar aus einem guten Nordlicht und einem Sammelsurium von Pinseln und Leinwandstücken besteht. Da gibt es gemütliche kleine Malstübchen mit blauen und roten und gelben Vorhängen und allerlei Töpfchen und Schälchen, irgendwo versteckt in einem kleinen Anwesen mit Garten, wo aus dem fruchtbaren, freundlichen Boden altmodische Blumen üppig sprießen. Dann gibt es wieder Ateliers, die nichts als Scheunen sind, schön dank ihrer großzügigen Proportionen und der hohen Balkondecken und wohnlich gemacht durch einen beigestellten Kachelofen nebst Gasbrenner. Es wohnen dort Maler, die große Familien haben und sich livrierte Domestiken halten; Maler, die in möblierten Zimmern hausen und sich von Wirtinnen verwöhnen lassen; Maler, die zu zweit oder allein wohnen und eine Zugehfrau beschäftigen; Maler, die ein Eremitendasein fristen und für ihr leibliches Wohl allein sorgen. Da gibt es Ölmaler, Aquarellmaler, Pastellmaler, Radierer, Illustratoren und Bronzegießer; Künstler jeglicher Provenienz, die nur das eine gemeinsam haben – daß sie ihre Arbeit ernst nehmen und für Amateure nichts übrig haben.
    In dieser fischenden, malenden Gemeinde hatte Lord Peter Wimsey freundliche, geradezu liebevolle Aufnahme gefunden. Er warf eine anständige Angel und gab nicht vor, malen zu können, so daß er, wiewohl Engländer und ein «Reingeschmeckter», nirgends aneckte. Der Engländer ist in Schottland wohlgelitten, solange er nicht versucht, sich wichtig zu machen, und von dieser typisch englischen Untugend war Lord Peter löblicherweise völlig frei. Zwar war seine Aussprache affektiert und sein Betragen oft höchst würdelos, doch man hatte ihn über manche Saison hinweg gewogen und für harmlos befunden, und wenn er nun wieder einmal etwas gar zu Befremdliches tat, ging man achselzuckend mit einem nachsichtigen «Mein Gott, es ist ja nur Seine Lordschaft» darüber hinweg.
    Wimsey saß an dem Abend, als der unselige Streit zwischen Campbell und Waters ausbrach, in der Bar der McClellan Arms . Campbell, ein Landschaftsmaler, hatte sich vielleicht ein paar Kurze mehr als unbedingt nötig hinter die Binde gegossen, mehr jedenfalls, als einem Rothaarigen guttaten, und das hatte zur Folge, daß er sein militantes Schottentum noch mehr herauskehrte als sonst. So erging er sich nun in einer langen Lobeshymne auf die Heldentaten der «Jocks» im Großen Krieg, die er nur einmal kurz unterbrach, um Waters in Klammern sozusagen mitzuteilen, daß alle Engländer von Bastardgeblüt und nicht einmal imstande seien, ihre eigene dämliche Sprache richtig auszusprechen.
    Waters war Engländer aus echtem Schrot und Korn und, wie alle Engländer, durchaus bereit, alle Ausländer außer Welschen und Niggern zu bewundern und zu preisen, doch wie alle Engländer hörte er nicht gern ihr Eigenlob. Laut in aller Öffentlichkeit mit seinem Land anzugeben, fand er ungehörig – wie wenn sich einer im Rauchsalon über die körperlichen Vorzüge seiner eigenen Frau ausließ. Er hörte mit jenem nachsichtigen, versteinerten Lächeln zu, das Fremde meist – und völlig zu Recht – als Zeichen unerschütterlicher Selbstzufriedenheit deuten, die es nicht einmal für nötig hält, sich selbst zu rechtfertigen.
    Campbell wies darauf hin, daß in London alle wichtigen Ämter von Schotten besetzt seien, daß es England nie gelungen sei, Schottland zu unterwerfen, und wenn Schottland seine Unabhängigkeit wünsche, dann werde es sie sich weiß Gott
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