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Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten

Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten

Titel: Wimsey 07 - Fünf falsche Fährten
Autoren: Dorothy L. Sayers
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und darüber das gewaltige Cairnsmuir, das sich finster über Creetown erhob. Dann wieder die offene Landstraße voller Steigungen und Windungen – zur Linken die weiße Jagdhütte mit den darüberziehenden Wolkenschatten, die Sommerhäuschen mit dichten Rosen- und Asternbeeten vor weißen und gelben Mauern; dann Newton Stewart, ein graues Dach neben dem andern bis hinunter zum steinigen Flußbett des Cree, mit schlanken Türmchen vor dem Horizont. Über die Brücke und am Friedhof ab nach rechts, auf die Straße nach Bargrennan, windungsreich wie eine Achterbahn, und immer wieder blitzte der Cree zwischen den Baumstämmen und den großen Blüten und goldenen Farnen am Straßenrand auf. Dann die Jagdhütte und die lange Rhododendronallee – darauf ein Silberbirkenwäldchen, immer höher und höher hinauf, bis vor die Sonne. Ein paar steinige Häuschen – und dann die Brücke, das Gatter und die steinige Bergstraße, die sich dahinwand zwischen Erdhügeln so rund wie der Berg des Königs vom Elfenland, bedeckt von grünem Gras und rötlicher Heide und langgezogenen Schatten.
    Wimsey bremste, als er an die zweite Brücke mit dem rostigen Gatter kam, und lenkte den Wagen ins Gras. Es standen schon andere Autos dort, und links sah er ein Grüppchen von Männern am Bachrand stehen, vierzig bis fünfzig Schritt neben der Straße. Er näherte sich ihnen über einen kleinen Viehpfad und fand sich oberhalb einer steil abfallenden Granitwand wieder, die in Stufen zu den tosenden Wassern des Minnoch hinunterführte. Gleich neben ihm, dicht am Abgrund, stand eine Staffelei mit Schemel und Palette. Und unten am Rand eines klaren braunen Tümpels, der von dichtem Weißdorngestrüpp umstanden war, lag ein armseliges Bündel, über das sich ein paar Leute beugten.
    Ein Mann, vielleicht ein Kätner, sprach Wimsey mit verhaltener Erregung in der Stimme an.
    «Da unten liegt er, Sir. Klar, ist ausgerutscht und runter. Da hinten ist Sergeant Dalziel mit Konstabler Ross; die untersuchen jetzt alles.»
    Der Unfallhergang erschien kaum zweifelhaft. Auf der Staffelei stand ein mehr als zur Hälfte fertiges Gemälde, dessen Farben noch feucht glänzten. Wimsey konnte sich vorstellen, wie der Künstler aufgestanden und ein Stück zurückgetreten war, um sein Werk zu begutachten – und immer weiter zurück auf den tückischen Felshang zu. Dann ein ausgleitender Absatz auf dem glitschigen Granit, ein verzweifelter Kampf ums Gleichgewicht, rutschende Ledersohlen auf kurzem, trockenem Gras, Taumeln, Überkippen, und holterdipolter die Felswand hinunter in die Schlucht, wo die spitzen Steine wie Zähne aus dem schäumenden Wasser grinsten.
    «Ich kenne den Mann», sagte Wimsey. «Dumme Geschichte, wie? Ich glaube, ich geh mal runter und seh mir das an.»
    «Aber passen Sie gut auf», warnte der Kätner.
    «Ganz bestimmt», sagte Wimsey und kletterte im Krebsgang zwischen den Steinen und Farnen hinunter. «Ich will der Polizei ja nicht noch mehr Arbeit machen.»
    Der Sergeant sah auf, als er Wimsey nahen hörte. Die beiden kannten sich, und Wimseys Interesse an Leichen, mochten die Umstände noch so gewöhnlich sein, war Dalziel nicht neu.
    «Sieh an, Seine Lordschaft!» rief er gutgelaunt. «Hab mir schon gedacht, daß Sie bald aufkreuzen würden. Kennen Sie Dr. Cameron?»
    Wimsey begrüßte den Arzt, einen schlaksigen Menschen mit nichtssagendem Gesicht, und fragte, wie sie vorankämen.
    «Nun ja, ich hab ihn untersucht», sagte der Arzt. «Tot ist er jedenfalls – und zwar schon ein paar Stunden. Die Totenstarre ist nämlich weit fortgeschritten.»
    «Ist er ertrunken?»
    «Das kann ich noch nicht sicher sagen. Aber nach meiner Meinung – meiner vorläufigen Meinung, wohlgemerkt – ist er nicht ertrunken. Hier an der Schläfe ist der Schädelknochen zertrümmert, und ich würde eher sagen, er ist schon beim Sturz oder beim Aufschlag auf die Steine hier unten im Bach gestorben. Aber etwas Endgültiges kann ich natürlich erst sagen, wenn ich eine Autopsie gemacht und festgestellt habe, ob Wasser in der Lunge ist.»
    «Ganz recht», sagte Wimsey. «Die Schädelverletzung könnte ihn auch nur betäubt haben, und die eigentliche Todesursache wäre dann doch Ertrinken.»
    «So ist es. Als wir ihn zuerst sahen, lag er mit dem Mund unter Wasser, aber die Strömung kann ihn ebensogut umhergewälzt haben. Er hat Abschürfungen an Kopf und Händen, die zum Teil – aber das ist auch wieder nur meine vorläufige Meinung – erst nach seinem Ableben
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