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Der Zeitspieler

Der Zeitspieler

Titel: Der Zeitspieler
Autoren: A. E. van Vogt
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1.
     
    Leutnant Morton Cargill torkelte aus der Bar. Haltsuchend drehte er sich um. Ein Mädchen auf nicht weniger unsicheren Beinen trat gerade aus der Tür. Sie fiel fast gegen ihn. Taumelnd hielten sie sich aneinander fest. Aus verschleierten Augen blickte sie zu ihm hoch. »Vergisch nischt, du hascht versproschen, dasch du misch heimbringscht.«
    »Hah?« brummte Cargill. Er wollte hinzufügen: »Wie kann ich Ihnen etwas versprochen haben, wenn ich Sie noch nie zuvor gesehen habe?« Aber er ließ es lieber, denn es wurde ihm bewußt, daß er in seinem ganzen Leben noch nie so betrunken gewesen war wie jetzt, und er sich gar nicht so recht an die letzte Stunde erinnern konnte. Vielleicht hatte er es ihr tatsächlich versprochen?
    War es nicht ohnehin seine Absicht gewesen, ein Mädchen aufzugabeln? Außerdem, was machte es schon aus? Er hatte noch drei Tage Urlaub, bis der Ernst des Lebens wieder anfing. Weshalb sollte er sich da den Kopf über die Länge ihrer Bekanntschaft zerbrechen?
    »Wo steht denn Ihr Wagen?« erkundigte er sich deshalb.
    Sie torkelte zu einem Chevrolet und drückte ihm die Schlüssel in die Hand. Dann wartete sie, bis er aufsperrte und ihr hineinhalf. Ihr Kopf fiel schlaff bis fast zur Brust, als sie sich auf den Beifahrersitz fallen ließ. Cargill kletterte hinter das Lenkrad und wäre beinahe auf den Boden gerutscht.
    Flüchtig wurde ihm klar, daß er sich in keinem Zustand befand, einen Wagen zu fahren. Ich rufe lieber ein Taxi, dachte er. Aber irgendwie vergaß er das darauf. Er hatte ein Mädchen gefunden, wenn er sich auch nicht erinnern konnte, wie. Und er war so blau, daß er sich weder darüber, noch über seine Fahrtüchtigkeit weitere Gedanken machte. Er ließ den Motor an.
    Als der Unfall geschehen war, versuchte er vergeblich, die Wagentür aufzubekommen. Jetzt erst bemerkte er, wie eng es zwischen Lenkrad und Sitz geworden war. Benommen erkannte er, daß er nur durch ein Wunder offenbar unverletzt geblieben war.
    Er tastete nach dem Griff der rechten Tür. Da traf ihn der zweite Schock. Das ganze Vorderteil des Wagens war auf dieser Seite eingedrückt. Selbst in der Dunkelheit erkannte er, daß das Mädchen tödliche Verletzungen davongetragen haben mußte.
    Verzweifelt bemühte er sich erneut, seine Tür aufzubekommen. Diesmal glückte es ihm. Er taumelte hinaus und torkelte durch die unbeleuchtete Straße. Niemand hielt ihn auf.
    Am Morgen las er ernüchtert und mit bleichem Gesicht den Unfallbericht in der Zeitung:
     
    FRAU TOT IN UNFALLWAGEN AUFGEFUNDEN
     
    In ihrem Auto eingequetscht verblutete Mrs. Marie Chanette in der vergangenen Nacht. Ihr Chevrolet war gegen einen Baum gerast, wobei sie sich innere Verletzungen zuzog. Es ist anzunehmen, daß ihr Leben bei sofortiger Behandlung noch hätte gerettet werden können. Bedauerlicherweise wurde der Unfall jedoch erst in den frühen Morgenstunden entdeckt.
    Mrs. Chanette, die seit kurzem, von ihrem Mann getrennt lebte, hinterläßt eine dreijährige Tochter. Ihr Bruder, dessen Aufenthalt nicht bekannt ist, wird gebeten, sich zu melden.
     
    Von einem möglichen Begleiter war nicht die Rede. Eine spätere Ausgabe erwähnte allerdings, daß man sie mit einem Soldaten hatte sprechen sehen. Das wurde dann in der Abendzeitung noch aufgebauscht. Am nächsten Morgen war bereits von Mordverdacht die Rede, und man brachte den Soldaten damit in Zusammenhang. Beunruhigt kehrte Cargill zu seiner Truppe zurück.
    Er war erleichtert, als seine Kompanie nach Vietnam in den Fronteinsatz kam. Ein Jahr verging, ehe er, zum Hauptmann befördert, nach Los Angeles zurückkehrte. In der Zwischenzeit hatte er soviel an Grausamkeiten mit ansehen müssen und war nicht nur einmal selbst zum Töten gezwungen gewesen, daß sein nagendes Schuldgefühl allmählich geschwunden war.
    Nach mehreren Monaten in der Heimat erhielt er folgenden Brief:
     
    Hauptmann Cargill,
    vor wenigen Tagen sah ich Sie zufällig in der Stadt. Ich beschloß daraufhin, mir Ihre Adresse zu beschaffen und fand sie, obgleich ich es kaum noch zu hoffen gewagt hatte, im Telefonbuch. Würden Sie die Liebenswürdigkeit haben, mich morgen abend – also am Mittwoch – gegen 20.30 Uhr in der Halle des Hotels Gifford zu treffen?
    Ich bin sehr gespannt.
    Marie Chanette
     
    Cargill las den Brief mit gerunzelter Stirn. Im ersten Augenblick sagte ihm die Unterschrift nichts. Dann erinnerte er sich. Aber, dachte er, sie hat doch meinen Namen gar nicht gekannt!
    Es lief ihm kalt über
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