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Der Zeitspieler

Der Zeitspieler

Titel: Der Zeitspieler
Autoren: A. E. van Vogt
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Trance auch immer sein mag, ein Teil des Geistes ist sich trotzdem der Täuschung bewußt. Das dürfte Ihnen klar sein, wenn Sie an den Fall eines unter Amnesie leidenden Patienten denken. Irgendwann einmal wird er in den meisten Fällen die Erinnerung zurückgewinnen. Die Tatsache, daß das Gehirn sie registriert hat und sie auf einen bestimmten Reiz hin erwachen kann, erklärt die Sinnlosigkeit normaler Therapiemethoden wohl nur zu gut.«
    Diesmal bestand absolut kein Zweifel. Die Rede war lang und gab Cargill genügend Zeit, sich umzudrehen und sich zu vergewissern, daß die Stimme wahrhaftig aus der leeren Luft kam und zwar jetzt etwa dreißig Zentimeter über seinem Kopf. Diese Erkenntnis erschütterte ihn zutiefst und drohte an seiner geistigen Stabilität zu rühren. Er hatte den Stuhl losgelassen gehabt, mit dem er die Einrichtung zu demolieren beabsichtigte. Jetzt griff er wieder nach ihm. Er umklammerte die Beine, daß die Knöchel seiner Hand weiß hervorstanden. Seine Augen waren halb zusammengekniffen, und er stand steif wie ein Klotz, während er weiter der körperlosen Stimme lauschte.
    »Lediglich ein Faktum«, fuhr sie fort, »kann eine schnelle und heftige Reaktion herbeiführen. Es genügt nicht, sich vorzustellen, ein Auto brause mit unaufhaltsamer Geschwindigkeit auf ihn zu, selbst wenn man es in der Hypnose wirklich glaubt. Nur wenn der Wagen tatsächlich vorbeirast und die Gefahr real ist, endet jeder Zweifel. Erst dann akzeptiert jeder Teil des Geistes und Körpers die Echtheit des Geschehens.«
    Cargill zweifelte allmählich an seinen eigenen Zweifeln. Schneidend wurde ihm bewußt, daß das hier echt war. Hier handelte es sich nicht um den Racheakt von ein paar verrückten Verwandten. Er stellte den Stuhl wieder auf den Boden. Trotz seiner bedrohlichen Situation fühlte er sich ein wenig wohler. Es stand fest, daß er sich in größter Lebensgefahr befand – und das war eine Situation, auf die er sich einstellen konnte. Während des Krieges hatte er gelernt, blitzschnell auf Gefahren zu reagieren und ihnen mit einer geradezu paradoxen Mischung von steter Wachsamkeit und disziplinierter Entspannung entgegenzutreten.
    »Was ist das überhaupt alles?« fragte er. »Wo bin ich hier?« Das zu erfahren wurde von größter Wichtigkeit für ihn. Er brauchte Informationen, um sein Gleichgewicht zu stabilisieren. Die gegenwärtige Situation war ohne Präzedens, deshalb konnte er auf keinerlei Erfahrung zurückgreifen. Doch von größter Bedeutung war im Augenblick, daß er den ersten Schritt zur Bekämpfung der drohenden Gefahr getan hatte, nämlich, indem er sie als wirklich erkannte.
    Jemand hatte es auf ihn abgesehen. Wer immer auch dieser Jemand war, er besaß genug Geld, zwei Wohnungen auf diese merkwürdige Art für solche Zwecke bereitzustellen. Das war ein teurer Spaß und deshalb sehr überzeugend.
    Die Stimme in der Luft überging seine Fragen. »Es genügte nicht«, sagte sie gerade, »den Nachkommen Marie Chanettes zu erklären, daß Sie getötet wurden. Das Mädchen hier muß Ihren Tod selbst sehen. Sie muß sich selbst davon überzeugen, daß Sie wahrhaftig tot sind. Sie muß Ihr kaltes Fleisch berühren und die Endgültigkeit des Geschehens erkennen. Nur so erreichen wir die Heilung auf elektrokolloidaler Ebene.« Unbewegt schloß die Stimme: »Doch nun schlage ich vor, daß Sie sich eine Weile ausruhen. Ich möchte, daß Sie über meine Worte nachdenken. Sie werden heute abend wieder von mir hören – ehe die Therapie durchgeführt wird.«
    Cargill wollte sich nicht damit zufriedengeben. Mehrere Minuten stellte er Fragen und redete auf die Stelle in der Luft, über seinem Kopf ein, wo die Stimme erklungen war. Aber er erhielt keine Antwort. Schließlich entschied er sich grimmig für seine ursprüngliche Methode. Zehn Minuten lang hieb er mit dem Stuhl wild auf die Glasscheibe ein. Der hölzerne Stuhl ächzte bei jedem Schlag und zerbarst allmählich, während das Glas nicht einmal einen Kratzer abbekommen hatte.
    Widerstrebend fand Cargill sich damit ab, daß er dem Glas nichts anhaben konnte. Entschlossen stapfte er zur verschlossenen Tür im Badezimmer. Er rüttelte am Knopf und stellte fest, daß die Tür unter ihrem Holzfurnier schweres Metall war. Trotzdem versuchte er sie aufzubrechen, ohne Erfolg, verständlicherweise.
    Erschöpft ließ er sich auf das Bett im Schlafzimmer fallen, um sich ein wenig zu erholen. Er mußte sofort eingeschlafen sein.
    Jemand rüttelte ihn heftig.
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