Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zeitspieler

Der Zeitspieler

Titel: Der Zeitspieler
Autoren: A. E. van Vogt
Vom Netzwerk:
den Rücken, und es dauerte eine Weile, bis er sich wieder gefaßt hatte. Zuerst beschloß er, der Einladung – oder war es ein Befehl? – nicht Folge zu leisten. Doch als der Abend immer näher kam, drängte ihn etwas, doch hinzugehen.
    Ich bin sehr gespannt! Was sollte das heißen.
    Um 8.15 Uhr betrat er die Halle des renommierten Hotels und bezog hinter einer der riesigen Säulen Posten. Von hier aus konnte er unauffällig den Eingang im Auge behalten. Er wartete. Um halb zehn sprach er die fünfte Frau an, die er irrtümlich für Marie Chanette gehalten hatte. Mit rotem Gesicht zog er sich zurück. Er hatte den Mann nicht bemerkt, der ebenfalls hinter einer Säule auf sie gewartet hatte. Sie strahlte ihren Freund mit einem Lächeln an, das sagte: Schau, ich wirke auch auf andere anziehend, aber ich habe meine Tugend verteidigt! Dann warf sie schnell noch einen flüchtigen Blick zurück auf Cargill, ehe sie sich bei ihrem Begleiter einhängte und mit ihm durch eine Tür mit der Aufschrift Traumhafen verschwand.
    Zögernd kehrte Cargill hinter seine Säule zurück. Er kam sich reichlich komisch vor; an einem Abend gleich von fünf Frauen mißverstanden zu werden, war doch ein wenig zuviel für ihn.
    Ein breitschultriger Mann kam auf ihn zu. »Wie wär's, wenn Sie Ihr Glück anderswo versuchten?« murmelte er. »Ihre mißglückten Annäherungen erregen allmählich unliebsames Aufsehen, das wir in unserem Haus nicht dulden können. Machen Sie keine Schwierigkeiten, Mann, verschwinden Sie! Und möglichst schnell!«
    Es war Cargill schrecklich peinlich, und er wollte sich bereits zurückziehen, als eine Stimme laut und klar verständlich sagte: »Tut mir leid, daß ich Sie so lange warten ließ, Hauptmann.«
    Erleichtert drehte Cargill sich nach der Stimme um. Er erstarrte. Nein, er konnte es nicht glauben. Tonlos stammelte er. »Sie – sind Marie Chanette!«
    Sie hatte sich verändert, aber trotzdem bestand kein Zweifel, daß sie es war. Aus dem Augenwinkel sah er, wie der Hausdetektiv sich verlegen entfernte, aber er vergaß ihn sofort. Sein Blick hing wie gebannt an der jungen Frau. »Sie sind es also wirklich! Marie Chanette!« Ihr Name kam ihm schwer über die Zunge, als wehrte sich diese dagegen. Sie hatte sich wirklich sehr verändert! Das Mädchen, das ihn vor einem Jahr aufgefordert hatte, sie heimzufahren, war gutgekleidet gewesen, aber doch nicht so kostbar und auffallend. Die junge Dame vor ihm trug einen hautengen Sari von tiefem Rosa, und darüber, lose über die Schultern geworfen, einen schillernden, offenbar sehr teuren Pelzmantel. Er hatte selten etwas so Extravagantes gesehen. Aber das war unwichtig. Sie sind doch tot, wollte er sagen. Nur kam kein Wort über seine Lippen.
    »Gehen wir in die Bar. Dort können wir uns bei einem Drink über – alte Zeiten unterhalten«, schlug sie vor, und er folgte ihr benommen.
    Cargill goß sein erstes Glas in einem Zug hinunter. Er blickte das Mädchen fragend an und sah, daß sie ihn mit einem nachsichtigen Lächeln beobachtete. »Ich habe mich lange gefragt, wie es sein würde, zurückzukommen und mit einem Mörder an der Bar zu sitzen.«
    Cargill versuchte sich zu wappnen. Hier war etwas, das er nicht verstand, ein tieferer Grund, als es den Anschein hatte. Es war nicht zum erstenmal, daß er unterdrückter Feindschaft begegnete. Diese Frau hatte es darauf angelegt, ihm zu schaden. Er mußte sich in acht nehmen!
    »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen«, knurrte er. »Ich bin mir nicht einmal sicher, daß ich Sie überhaupt kenne.«
    Wortlos öffnete die Frau ihre Handtasche und holte zwei größere Fotografien heraus. Sie schob sie ihm zu.
    Ungläubig blinzelnd starrte Cargill darauf. Er schüttelte benommen den Kopf, aber sie verschwanden nicht. Er nahm sie in die Hand. Beide Bilder zeigten einen Offizier, der aus einem schwer beschädigten Personenwagen stieg. Die wirklichkeitsgetreuen Details verschlugen ihm den Atem. Auf einer der Aufnahmen war das eingeklemmte Mädchen ganz genau zu sehen. Ihre Züge waren schmerzverzerrt und Blut rann ihr über die Augen. Auf der anderen war das Gesicht des Offiziers im Vordergrund – sie mußte aus einem fast unmöglichen Winkel von unmittelbar hinter dem Mädchen aufgenommen worden sein. Beide Bilder ließen ohne jeden Zweifel erkennen, daß der Offizier sich rückwärts durch die nur teilweise geöffnete Tür neben dem Fahrersitz zwängte. Und auf beiden Fotografien war das Gesicht des Offiziers
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher