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Der Zeitspieler

Der Zeitspieler

Titel: Der Zeitspieler
Autoren: A. E. van Vogt
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in ein völlig identisches Apartment gewährte. Das Wohnzimmer war in jeder Beziehung gleich. Auch dort stand eine Tür halboffen, hinter der vermutlich ebenfalls ein Schlafzimmer lag. An einer Wand hing eine Digitaluhr. Zeit und Datum darauf waren: 18:22, 6. Mai. Offenbar war sie demnach vor einem Monat stehengeblieben.
    Heftig atmend ließ er sich wieder in seinen Sessel fallen. Er starrte wütend auf das Mädchen, das ihm gegenüber in der anderen Wohnung saß. Er erinnerte sich nur zu gut an ihre Worte in der Bar und an die Karte mit der Todesdrohung. Er dachte darüber nach, als das Mädchen aufstand und an die Glasbarriere trat. Sie sagte etwas, das heißt, ihre Lippen bewegten sich, als täte sie es. Zu hören war jedoch nichts. Aufgebracht sprang er erneut hoch.
    »Wo sind wir?« brüllte er.
    Die junge Frau schüttelte den Kopf. Cargill blickte sich um. Wie könnten sie sich nur verständigen? Ein Telefon war in der Wohnung nicht vorhanden. Nicht, daß es viel helfen würde, wenn man die Nummer des anderen nicht kannte. Aber es gab eine Verständigungsmöglichkeit. Aufgeregt suchte er nach Papier und Kugelschreiber in seiner Jackentasche. Er seufzte vor Erleichterung, als er beides fand. Mit zitternden Fingern schrieb er: Wo sind wir?
    Er hielt das Papier an das Glas. Das Mädchen nickte. Sie kehrte zu ihrem Sessel zurück und kramte in ihrer Handtasche. Cargill sah, daß sie in ein Notizbuch kritzelte. Sie riß die Seite heraus und kehrte damit zur Glaswand zurück.
    Ich glaube, in der Schattenstadt, stand auf dem Zettel.
    Was sollte das nun schon wieder bedeuten? Wo ist das? schrieb Cargill. Das Mädchen zuckte die Schulter und kritzelte: Irgendwo in der Zukunft.
    Das beruhigte ihn ein wenig. Er gewann die Überzeugung, daß er es mit Verrückten zu tun hatte. Überlegend kniff er die Augen zusammen. Welcher realen Gefahr war er durch einen Kult ausgesetzt, der sich mit solchem Unsinn befaßte? Er vergaß das Mädchen und kehrte nachdenklich zu seinem Sessel zurück. »Sie werden es nicht wagen, mir etwas anzutun«, brummte er vor sich hin.
    Er konnte sich nicht erklären, wie das Ganze überhaupt in Szene gesetzt worden war. Aber offenbar war Marie Chanettes Familie irgendwie auf die Identität des Mannes gestoßen, in dessen Begleitung sie sich zum Zeitpunkt ihres Unfalls befunden hatte. Und in der alles andere als objektiven Einstellung von näheren Verwandten gaben sie ihm die alleinige Schuld.
    Aber er fühlte sich nicht schuldig. Und er hatte durchaus nicht die Absicht, sich von einem Haufen neurotischer Verwandter irgend etwas gefallen zu lassen. Wilder Grimm stieg in ihm auf, doch diesmal nicht aus Angst und Verwirrung. Ein Dutzend Pläne für einen Gegenschlag gingen ihm durch den Kopf. Er könnte die Glasscheibe zerschmettern; die Tür einrennen, die aus dem Bad vermutlich aus der Wohnung führte; und das ganze Mobiliar kurz und klein schlagen. Diese Leute sollten jeden ihrer Schritte gegen ihn bereuen!
    Zum drittenmal erhob er sich aus seinem Sessel. Er stemmte gerade einen Stuhl in die Höhe, um ihn gegen die Glasscheibe zu schleudern, als eine Männerstimme aus leerer Luft zu ihm sprach. Sie klang, als stünde der Mann direkt vor ihm. »Morton Cargill, es ist meine Pflicht, Ihnen zu erklären, weshalb Sie getötet werden müssen.«
    Cargill blieb wie angewurzelt stehen. Aber er faßte sich schnell. Wild blickte er sich nach dem verborgenen Lautsprecher um, aus dem die Stimme gekommen sein mußte, denn ein Geist hatte wohl kaum zu ihm gesprochen. Vergebens suchten seine Augen die Decke, den Boden, die Wände ab. Er begann bereits den Boden abzutasten, als die Stimme erneut erklang, diesmal unmittelbar neben seinem Ohr.
    »Es ist notwendig, mit Ihnen zuvor zu sprechen«, sagte sie, »um die gewünschte Wirkung zu erzielen.«
    Er verstand die Worte kaum, dazu mußte er viel zu sehr gegen eine plötzliche Panik ankämpfen. Die Stimme hatte wirklich nur ein paar Zentimeter vor seinem Ohr gesprochen – aber da war nichts! Egal, wohin er sich auch drehte, außer ihm befand sich niemand im Zimmer, und nirgends war auch nur der geringste Hinweis auf ein akustisches Übertragungsgerät zu sehen.
    Zum drittenmal erschallte die Stimme – jetzt hinter ihm. »Sie müssen verstehen, Cargill, daß das Wichtigste bei einer solchen Therapie die Einstellung des Körpers auf elektrokolloidaler Basis ist. So etwas läßt sich nicht künstlich bewerkstelligen! Hypnose wäre völlig wirkungslos, denn wie tief die
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