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Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Titel: Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Fesseln ab. Sie werden ihn doch befreien, ja?» wandte sie sich kläglich an Wimsey. «Wenn Sie auch ein Teufel sind, ein solcher Teufel können Sie nicht sein! Sie werden geradewegs hingehen und ihn retten?»
    «Ihn gehen lassen, von wegen!» mischte sich jetzt einer der Männer dazwischen. «Bilden Sie sich nicht ein, er kann hingehen und der Polizei etwas vorsingen, Madame. Der Präsident hat einfach Pech gehabt, und wir sollten uns aus dem Staub machen, solange wir noch können. Es ist aus, meine Herrschaften. Schmeißt diesen Kerl in den Keller und bindet ihn fest, damit er keinen Krach machen und die ganze Gegend aufwekken kann. Die Akten vernichte ich. Sie dürfen mir dabei zusehen, wenn Sie mir nicht trauen. Und Sie, Nummer Dreißig, wissen, wo der Schalter ist. Geben Sie uns eine Viertelstunde zum Verschwinden, und dann jagen Sie die Bude in die Luft.»
    «Nein! Ihr könnt nicht einfach gehen – ihr könnt ihn nicht sterben lassen – euern Präsidenten – euern Anführer – meinen – das lasse ich nicht zu. Laßt diesen Teufel frei! Helft mir doch mal einer mit den Schnüren –»
    «Jetzt ist aber Schluß damit», sagte der Mann, der schon einmal gesprochen hatte. Er packte sie bei den Handgelenken, und sie wand sich kreischend in seinen Armen und biß und schlug um sich, um freizukommen.
    «Denken Sie doch einmal nach», sagte der Mann mit der Sirupstimme. «Es geht auf den Morgen zu. In ein bis zwei Stunden ist es hell. Die Polizei kann jeden Moment hier sein.»
    «Die Polizei!» Sie schien sich mit einer gewaltigen Kraftanstrengung zusammenzureißen. «Ja – ja, Sie haben recht. Wir dürfen einem einzelnen zuliebe nicht die Sicherheit aller aufs Spiel setzen. Das würde er selbst nicht wollen. Schon richtig. Wir werfen dieses Aas in den Keller, wo es uns nicht in die Quere kommen kann, und verschwinden solange noch Zeit ist.»
    «Und der andere Gefangene?»
    «Der? Dieses arme Würstchen – der kann keinen Schaden anrichten. Er weiß doch nichts. Laßt ihn laufen», antwortete sie verächtlich.
    In Minutenschnelle sah Wimsey sich wieder ganz unzeremoniell in die Tiefen des Kellers verfrachtet. Er wunderte sich ein wenig. Daß sie ihn nicht laufenließen, selbst um den Preis des Lebens von Nummer Eins, das verstand er ja. Dieses Risiko war er offenen Auges eingegangen. Aber daß sie ihn hier als Zeugen gegen sie zurückließen, das erschien ihm unbegreiflich.
    Die Männer, die ihn nach unten gebracht hatten, banden ihm die Füße zusammen und schalteten im Gehen das Licht aus.
    «He, Kamerad!» rief Wimsey. «Es ist ein bißchen einsam, hier so allein herumzusitzen. Sie könnten wenigstens das Licht anlassen.»
    «Schon gut, mein Freund», kam die Antwort. «Sie werden nicht lange im Dunkeln sitzen. Der Zeitzünder ist schon eingeschaltet.»
    Der andere Mann lachte aufs höchste amüsiert, und sie gingen zusammen hinaus. Das war es also. Er sollte mit dem Haus in die Luft fliegen. In diesem Falle würde der Präsident ganz bestimmt tot sein, bevor sie ihn befreit hatten. Das bereitete Wimsey Sorgen. Er hätte den Oberschurken so gern vor Gericht gebracht. Immerhin wartete Scotland Yard schon sechs Jahre darauf, diese Bande hochgehen zu lassen.
    Er wartete und strengte die Ohren an. Ihm war, als ob er über sich Schritte hörte. Die Bande hatte sich doch inzwischen davongemacht … Da, ein Knarren – das war gewiß. Die Falltür war aufgegangen. Er fühlte mehr, als daß er hörte, wie jemand in den Keller geschlichen kam.
    «Pst!» sagte eine Stimme an seinem Ohr. Weiche Hände fuhren ihm übers Gesicht und tasteten sich an seinem Körper hinunter. Er fühlte kalten Stahl an seinen Handgelenken. Die Fesseln erschlafften und fielen ab. Ein Schlüssel klickte in den Handschellen. Der Riemen an seinen Fußgelenken wurde gelöst.
    «Schnell, schnell! Sie haben den Zeitzünder eingeschaltet. Das Haus ist mit Sprengladungen vollgestopft. Folgen Sie mir, so schnell Sie können. Ich habe mich zurückgeschlichen – habe gesagt, ich hätte meinen Schmuck liegenlassen. Das stimmt auch. Ich habe ihn mit Absicht liegenlassen. Er muß gerettet werden – und nur Sie können das tun. Beeilen Sie sich!»
    Taumelnd vor Schmerz in seinen abgeschnürten und taub gewordenen Gliedern, in die jetzt das Blut zurückströmte, schleppte Wimsey sich hinter ihr her in das darüberliegende Zimmer. Eine Sekunde später hatte sie die Fensterläden zurückgerissen und das Fenster aufgestoßen.
    «Laufen Sie! Befreien Sie ihn!
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