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Ich sehe was, was du nicht siehst

Ich sehe was, was du nicht siehst

Titel: Ich sehe was, was du nicht siehst
Autoren: Lena Diaz
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Prolog
    Angst hat eine ganz bestimmte Duftnote – scharf, streng, leicht stechend –, ganz ähnlich wie Schweiß, doch der Duft ist stärker, intimer, und er macht abhängiger als jede Droge.
    Simon war süchtig danach, und es war lange her – viel zu lange –, seit er seinen letzten Schuss bekommen hatte.
    Aber das würde sich jetzt ändern.
    Er stand neben dem Computertisch und nahm den Papierstapel vom Drucker. Mit dem Finger fuhr er über das Profil der Frau, deren Foto auf der ersten Seite zu sehen war, strich über die blasse Haut ihrer Arme und die Wölbung ihres Brustansatzes. Ihr dunkles Haar glänzte seidig und berührte kaum die Schultern. Die dunkelblauen Augen lachten ihn an, wobei sich in ihren Augenwinkeln kleine Fältchen abzeichneten. An wen dachte sie, wenn sie so lächelte? An jemanden, der ihr etwas bedeutete? An jemanden, dem auch sie etwas bedeutete?
    »Simon, möchtest du, dass ich dir noch etwas anderes ausdrucke?«
    Widerwillig löste er den Blick von der Aufnahme und sah hinüber zu der leicht übergewichtigen Blondine, die am Computer saß. Sie hatte ihre schlammbraunen Augen mit Lidschatten und Mascara geschminkt, vermutlich zum ersten Mal seit Jahren, und trug ein neues, knallgelbes Kleid. Wahrscheinlich hatte sie sich die ganze Woche auf diesen Abend gefreut, weil sie glaubte, dass sein Besuch bei ihr zu Hause den nächsten Schritt in ihrer Beziehung signalisierte, nämlich seine Bereitschaft, ihr Liebhaber werden.
    Oh ja,
er
war definitiv bereit, den nächsten Schritt zu tun.
    Erwartungsvoll starrte sie ihn an, ihre Finger schwebten bereits über der Tastatur.
    »Nein, ich habe bekommen, was ich wollte.« Er legte den Papierstapel zurück auf den Tisch. »Bist du sicher, dass niemand herausfindet, dass du diejenige warst, die sich in die Internetseite gehackt hat?«
    Sie grinste. »Ich musste mich gar nicht in das System hacken. Ich habe einfach ein gefälschtes Profil angelegt und mich mit ein paar der anderen Nutzer angefreundet. Danach war es einfach, Zugriff auf die übrigen Profile und die dort gespeicherten Informationen zu bekommen.«
    Dämliches Weib.
»Lösch dein Profil.«
    Jetzt lächelte sie nicht mehr. »Stimmt was nicht?«
    Ihr Blick war so skeptisch geworden, dass er sich zwang, sich zu entspannen und ihr ein charmantes Lächeln zu schenken, um sie zu beruhigen. »Ich möchte einfach nicht, dass sie misstrauisch werden. Noch nicht. Es macht doch keinen Spaß, wenn sie zu schnell herausfinden, was dahintersteckt.«
    Ihr Lächeln kehrte zurück, wenn auch nicht ganz so unbeschwert wie zuvor. »Äh, sicher, du hast recht.«
    Dieses Mal beobachtete er aufmerksam, was sie tat; wie sie alle Schritte ungeschehen machte und ihr Profil wieder löschte.
    Als sie fertig war, rückte sie ihren Stuhl nach hinten und stand auf, um ihm in die Augen zu sehen. »Du hast mich neugierig gemacht. Was ist das für ein Streich?«
    »Zu viel Neugier kann einen in große Schwierigkeiten bringen, meine Liebe.«
    Sie lachte leicht. »Was meinst du?«
    Er legte den Kopf schief. »Kennst du das Spiel
Simon sagt?
«
    »Simon sagt?« Sie lachte wieder, dieses Mal klang es eindeutig nervös. »Das ist ein Kinderspiel. Ist das nicht ein bisschen zu albern für Erwachsene?«
    »Nicht, wenn ich es spiele.« Seine Stimme klang kehlig, verführerisch.
    Als er hinter sie trat, drehte sie sich halb zu ihm um und blickte zu ihm auf. Ihre Muskeln spannten sich, als ihr Unterbewusstsein die Gefahr witterte, die ihr Verstand noch nicht zu akzeptieren bereit war.
    Er legte ihr die Hände auf die Schultern.
    Unwillkürlich zuckte sie zusammen und versuchte, sich seinem Griff zu entziehen. »Hör auf damit. Das macht mich nervös.«
    »Psst, sei still«, flüsterte er. »So wird dieses Spiel nicht gespielt. Du darfst dich nicht rühren, bis Simon dir sagt, was du tun sollst.«
    Sie schluckte so heftig, dass er es hörte, und riss den Kopf herum. Ihr Blick jagte durch das Zimmer, als würde sie erst in diesem Moment begreifen, dass sie allein mit ihm und ihm somit völlig ausgeliefert war. »U-und was will Simon? Was soll ich tun?«, krächzte sie mit zittriger Stimme.
    Er beugte sich über ihre Schulter, um ihr ins Gesicht zu schauen. Wie ein verschrecktes Kaninchen, das in die Augen der angriffsbereiten Schlange starrt, verharrte sie regungslos, als wäre sie gelähmt. Er holte tief Luft, schloss kurz die Augen und schwelgte in dem Angstgeruch, der aus ihren Poren trat.
    Oh ja, dieses Mal würde er es ganz
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