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Ich sehe was, was du nicht siehst

Ich sehe was, was du nicht siehst

Titel: Ich sehe was, was du nicht siehst
Autoren: Lena Diaz
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Blick bedeutete ganz bestimmt nicht, dass sie sich noch etwas aus ihm machte.
    Er sah hinüber zu dem grünen Vorhang, hinter dem Madison vor einer halben Stunde mit einer Schwester verschwunden war. Aber warum war sie dann so blass geworden, als sie von seiner Verlobten gehört hatte? Schließlich war Madison diejenige gewesen, die Schluss gemacht hatte. Warum sollte es ihr etwas ausmachen, wenn er eine neue Liebe gefunden hätte?
    »Special Agent Buchanan.«
    Unwillig wandte er sich wieder dem jungen Arzt zu, der soeben seine Wunde genäht hatte. Viel zu jung. Wahrscheinlich ein Wunderknabe, der mit dreizehn Jahren die Highschool abgeschlossen hatte. Noch dazu ein Wunderknabe, der ihm bereits mehr als genug von seiner Zeit gestohlen hatte. Er musste unbedingt seinen derzeitigen Fall zum Abschluss bringen, und außerdem hatte er wegen der Schießerei noch ein Dutzend Fragen an Madison.
    Zum Beispiel, warum sie ihn angefleht hatte, Logan nichts von den morgendlichen Ereignissen zu erzählen.
    »Wenn Sie uns nicht erlauben, Sie zu röntgen, müssen Sie ein Formular unterschreiben, dass Sie die Behandlung entgegen dem ausdrücklichen ärztlichen Rat verweigern.«
    »Meine Rippen sind nicht gebrochen. Sie zu röntgen wäre Zeitverschwendung.«
    »Ach, haben Sie etwa eine medizinische Ausbildung und nur vergessen, es zu erwähnen?« Der Arzt grinste über seinen eigenen Witz.
    Pierce kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. »Ich bin zwar kein Arzt, aber ich kann verdammt gut mit einer Waffe umgehen.«
    Der Wunderknabe schnappte hörbar nach Luft.
    »Ich bin mir sicher, Special Agent Buchanan wird sich mit Freuden allen medizinischen Untersuchungen unterziehen, die Sie für notwendig erachten.« Pierce’ neuer Chef und alter Freund stand in dem mit einem Vorhang abgetrennten Durchgang.
    Pierce schüttelte resigniert den Kopf. So viel zu seinem Vorhaben, Madison ohne Verzögerung zu befragen.
    »Ich bin Special Agent Casey Matthews, Mr Buchanans Chef.« Casey trat zu dem Arzt, um ihm die Hand zu schütteln. »Und diese bezaubernde Dame hier ist seine Verlobte, Tessa James. Doktor, ich versichere Ihnen, dass Mr Buchanan kooperieren wird.«
    Der Arzt schüttelte Casey erfreut die Hand. »Ich weiß Ihre Hilfe zu schätzen. Seit seinem Eintreffen ist er nur daran interessiert, schnellstmöglich wieder entlassen zu werden.« Er grinste Pierce selbstzufrieden an.
    Pierce starrte ihn so lange an, bis das Lächeln aus seinem Gesicht verschwand. Es war so leicht, diesen Jungen einzuschüchtern, dass er sich fast schuldig fühlte.
    Der erschrockene Blick des Wunderknaben jagte suchend durch das Zimmer. »In ein paar Minuten kommt eine Schwester und bringt sie in die Radiologie.« Mit diesen Worten drehte er sich um und ergriff die Flucht.
    »Und – hast du es genossen, den Jungen nervös zu machen?« Tessa trat an den Untersuchungstisch und trommelte mit ihren roten Fingernägeln auf der glänzenden, makellosen Stahloberfläche herum.
    »Er hat meine Zeit verschwendet.« Pierce wollte sich gerade mit den Handflächen auf dem Behandlungstisch abstützen, um hinunterzuspringen, doch Casey versperrte ihm den Weg.
    »Die Röntgenaufnahmen stehen noch aus«, sagte er.
    »Ich muss dringend mit Madison sprechen.«
    »Die Frau, die in die Schießerei verwickelt war?«, fragte Tessa.
    Er nickte.
    »Lieutenant Hamilton und sie haben die Notaufnahme in dem Augenblick verlassen, als wir hereingekommen sind.«
    Pierce’ Magen zog sich unbehaglich zusammen. Ihm waren die skeptischen Blicke nicht entgangen, die Hamilton Madison zugeworfen hatte. Der Lieutenant glaubte, dass sie etwas verheimlichte.
    Genauso wie er.
    Der Gedanke an eine Madison, die in der gespannten Atmosphäre eines Verhörraums vernommen wurde, gefiel ihm gar nicht. Nicht etwa, weil sie Angst hatte – eher im Gegenteil. Ihr Bruder nannte sie aus gutem Grund ›Quälgeist‹. Madison hatte ein Temperament, das sie leicht in Schwierigkeiten bringen konnte, wenn man sie in die Enge trieb. Sie glich einem Feuerwerkskörper mit zu kurz geratener Zündschnur, und für gewöhnlich war
sie
diejenige, die sich bei solchen Gelegenheiten die Finger verbrannte.
    »Sie hat sich den Fuß umgeknickt«, sagte Pierce. »Wie war Ihr Eindruck?«
    »Sie hat beim Gehen das rechte Bein etwas stärker belastet«, sagte Casey. »Aber abgesehen davon schien es ihr gut zu gehen. Kein Gips und keine Krücken.« Er trommelte verärgert mit den Fingerknöcheln auf dem Tisch herum. »Du hättest
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