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Höllenjagd

Höllenjagd

Titel: Höllenjagd
Autoren: Clive Cussler
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GEIST AUS DER
    VERGANGENHEIT
    15. April 1950
    Flathead Lake, Montana
    Es stieg aus der Tiefe empor wie ein böses Monster aus einem Ozean des Mesozoikums. Ein Vorhang aus grünem Schleim verhüllte das Führerhaus und den Kessel. Graubrauner Schlamm vom Grund des Sees glitt von den zwei Meter hohen Rädern und platschte in das kalte Wasser. Während sie langsam an die Oberfläche kam, hing die alte Dampflokomotive für einen Moment an den Seilen eines riesigen Krans, der auf einem Holzschiff montiert war. Durch den tropfenden Schmutz war unterhalb des offenen Seitenfensters im Führerhaus immer noch die Nummer 3025 sichtbar.
    Die 3025, von den Baldwin Locomotive Works in Philadelphia gebaut, war am 10. April 1904 aus der Fabrik gerollt. Die »Pacific«-Klasse war ein weit verbreitetes Dampflokmodell mit großen Antriebsrädern, die zehn Personenwagen mit einer Geschwindigkeit von über einhundertvierzig Stundenkilometern ziehen konnte. Sie war auch als 4-6-2 bekannt, wegen ihres vierrädrigen Drehgestells direkt hinter dem Gleisräumer, den sechs Antriebsrädern unterhalb des Kessels und den zwei kleineren hinter dem Führerhaus.
    Die Schiffscrew beobachtete ehrfürchtig, wie der Kranführer die Hebel betätigte und die alte 3025, deren Gewicht das Boot zehn Zentimeter tiefer ins Wasser drückte, sanft auf das Hauptdeck absetzte. Sie stand fast eine Minute lang da, bevor die sechs Männer ihr Erstaunen abschüttelten und die Seile lösten.
    »Dafür, dass sie gut fünfzig Jahre unter Wasser gelegen hat, ist sie in bemerkenswert gutem Zustand«, stellte der Bergungsleiter des heruntergekommenen Schiffs fest, das beinahe so alt war wie die Lokomotive. Seit den zwanziger Jahren war es für Baggerarbeiten auf dem See und den umliegenden Flüssen im Einsatz.
    Bob Kaufman war ein großer, freundlicher Mann, der stets zum Lachen aufgelegt war. Sein Gesicht war von zahllosen Stunden in der Sonne gerötet, und er arbeitete bereits seit siebenundzwanzig Jahren auf dem Schiff. Mit siebenundfünfzig hätte er längst in Pension gehen können, aber solange ihn die Baggerfirma behalten wollte, arbeitete er weiter. Zu Hause zu sitzen und Puzzles zusammenzusetzen war nicht seine Vorstellung von einem guten Leben.
    Er betrachtete den Mann, der neben ihm stand und nach seiner Einschätzung etwas älter war als er.
    »Was denken Sie?«, fragte Kaufman.
    Der Mann, der groß und trotz seiner Ende siebzig noch schlank war und volles silbernes Haar hatte, wandte sich zu ihm. Sein Gesicht war wettergegerbt wie Hirschleder. Er betrachtete die Lokomotive nachdenklich mit blauen Augen, die in einem leichten Lavendelton leuchteten und immer noch keine Brille nötig hatten. Sein langer silberner Schnauzbart passte zu seinen Augenbrauen, die im Alter buschig geworden waren. Er lüftete einen teuren Panamahut und tupfte sich die Stirn mit einem Taschentuch ab.
    Dann ging er zu der geborgenen Lokomotive, die jetzt fest auf dem Deck stand, und richtete seine Aufmerksamkeit auf das Führerhaus. Wasser und Schlamm rannen die Stufen hinab und verteilten sich auf dem Schiffsdeck.
    »Trotz des Schmutzes«, sagte er schließlich, »ist sie noch immer ein Augenschmaus. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ein Eisenbahnmuseum das Geld zusammengekratzt hat, um sie als Ausstellungsstück zu restaurieren.«
    »Zum Glück hat ein Fischer aus der Gegend seinen Außenborder verloren und den Grund danach abgesucht, sonst hätte die Lokomotive vielleicht noch ein halbes Jahrhundert dort unten gelegen.«
    »Ja, ein echter Glücksfall«, sagte der große, silberhaarige Mann langsam.
    Kaufman trat näher und strich mit der Hand über eins der großen Räder. Ein sentimentaler Ausdruck trat auf sein Gesicht: »Mein Vater war Lokführer bei der Union Pacific«, sagte er leise. »Er hat immer gesagt, dass das ›Pacific ‹ -Modell die beste Lokomotive war, die er je gefahren hatte. Er ließ mich häufig im Führerhaus sitzen, wenn er einen Zug auf den Rangierbahnhof brachte. Die ›Pacific‹-Klasse wurde meistens eingesetzt, um Personenwagen zu ziehen, weil sie so schnell war.«
    Ein Taucherteam in gummibeschichteten Leinenanzügen stand auf einer Plattform, die an die Wasseroberfläche gehievt wurde. Sie trugen Mark-V-Tauchhelme aus Messing, große Gewichtsgürtel um die Brust und Tauchstiefel mit Leinenüberzug, Messingkappen und Bleisohlen, die achtzehn Kilo wogen. Insgesamt trugen die Taucher fünfundsiebzig Kilo Ausrüstung. Sie zogen an ihrer Nabelschnur, die zu
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